■ Die Grünen als dritte Kraft
: Neuvermessung ohne FDP

Besser konnte der Wahlsonntag für die Bündnisgrünen kaum ausgehen. Dank der Ergebnisse von Bremen und Düsseldorf sind sie im Bund in eine Schlüsselstellung gerückt, die ihnen in Bonn gestern niemand streitig machte. Dabei geht es nicht nur um die künftige Mehrheitsfähigkeit einer auf Rot-grün- Kurs gebrachten SPD im Bund und die Koalitionsoptionen einer Union, die sich angesichts des unaufhaltsamen Abstiegs der Liberalen für die Zeit nach dem Ablauf der Legislaturperiode nach neuen Partnern umsehen muß. Die Etablierung der Grünen als dritte Kraft provoziert jetzt schon Kursänderungen, die jenseits aller Machtarithmetik für die Bundestagswahl 1998 politische Wirkung zeigen.

So herrschte beim linksliberalen Flügel der Union gestern kaum verhohlene Freude über den Wahlausgang. Die jungen Reformer in der Partei, von denen viele demonstrativ schwarz-grüne Signale zeigen, sehen sich durch den Grünen-Erfolg im innerparteilichen Machtkampf gestärkt. Die nationalistische Kameradschaft eines Alfred Dregger und den Widerstand der konservativen Hardliner in der Einwanderungspolitik wollen sie in der Union an den Rand drängen, um auch für die an Zukunftsthemen interessierten Wähler wieder attraktiv zu werden.

Die notwendige Suche der Union nach neuen Koalitionspartnern kann ihnen bei der Modernisierung der eigenen Partei nur nützlich sein. Dabei spielt es kaum eine Rolle, welche Realisierungschance die schwarz-grünen Angebote tatsächlich haben, die Unionspolitiker jetzt immer häufiger unterbreiten werden: Wenn die Union insgesamt nach links rückt, wird der Weg frei für lange blockierte Lösungen in der Ausländerpolitik.

Anders als Heiner Geißler läuten die Strategen im Adenauer-Haus dem noch real existierenden Koalitionspartner FDP nicht in aller Öffentlichkeit das Totenglöckchen. Die ersten Reaktionen zeigen, daß die Union den Partner im Kabinett schonen will, solange der wenigstens noch schwach atmet. Dem kurzen Frühling der Liberalen, die nach dem „reinigenden Gewitter“ (Guido Westerwelle) von Gera und dem Erfolg von Hessen auf eine „Trendwende“ hofften, aber folgt der Rückfall in den Permafrost. Das vielbeschworene neue „Profil“ in der Koalition, das der neue Generalsekretär mit frechen Tönen begleitete, hat sich nicht ausgezahlt: Der kraftraubende Streit in der Koalition um den Kohlepfennig und die Steuern wurde von den Wählern nicht gewürdigt. Daß Wahlverlierer Kinkel nun von den eigenen Leuten nicht attackiert wird, ist auch kein Zeichen der Konsolidierung. Es zeigt nur, daß es jenseits des Stahlhelm-Flügels zu Kinkels Kurs keine Alternative gibt. Hans Monath