■ In Straßburg wird die Revision der EU-Verträge debattiert
: Die EU am Scheideweg

Bei der Revision der EU-Verträge geht es darum, die Kompetenzen der Union, das Gleichgewicht zwischen ihren Institutionen, die Demokratisierung der Entscheidungen und die gemeinsame Außenpolitik neu zu bestimmen. In Frage steht auch, welche Rechte die europäischen Bürger zukünftig haben sollen.

Die demokratische Legitimität der Europäischen Union muß gestärkt werden. Dabei gilt es, die sterile Debatte zwischen „Föderalisten“ und „Antiföderalisten“ zu überwinden. Statt dessen sollten wir uns mit der Lösung des demokratischen Defizits beschäftigen. Wenn wir eine Neuauflage des Fiaskos vermeiden wollen, das die Ratifizierung des Maastricht-Abkommens begleitete, müssen wir die volle Beteiligung des Europäischen Parlaments fordern und das vollständige Ende der Einstimmigkeitsregel beim Ministerrat. Eine kleine Minderheit darf nicht länger den Willen der Majorität blockieren.

Selbst wenn die Frage einer europäischen Verfassung kontrovers ist – die Existenz der Sozialcharta, die Einführung einer Europabürgerschaft und die Notwendigkeit europäischer Rechte sind verfassungsmäßige Fragen, die wir lösen müssen. Wir wollen, daß die Union rechtlich die Menschenrechte absichert und daß alle Diskriminierungen verboten werden, und dies nicht nur für die Bürger der EU, sondern für alle, die sich auf ihrem Territorium rechtmäßig aufhalten.

Es ist außerdem notwendig, neu über unsere gemeinsamen Interessen in außen- und sicherheitspolitischer Hinsicht nachzudenken. Außenpolitik in der EU ist oft nur Handels- und Wirtschaftspolitik. Der Artikel, der den Waffenhandel aus der gemeinsamen europäischen Handelspolitik ausnimmt, muß fallen. Ebenso müssen wir die Verbindungen mit den osteuropäischen, den Mittelmeerländern und den Staaten des Lomé-Abkommens neu definieren. Neokolonialistische Haltungen und eine rein ökonomische Interessenbestimmung müssen wir überwinden.

Es gilt, der „europäischen“ Dimension von Sicherheitsfragen den Vorrang zu geben und „parallele“ Strukturen wie die Westeuropäische Union aufzulösen. Alle Kompetenzen sollten hier von der Europäischen Union übernommen werden. Außerdem sollte ein ziviles Konzept der europäischen Sicherheit entwickelt werden, das die Abrüstung vorantreibt und eine europäische Politik der Konfliktprävention vorsieht. Eine europäische Interventionsstreitmacht sollte eng mit internationalen Foren wie der OSZE verbunden werden.

Kein Europa à la carte, wo jeder entscheiden kann, wie er sein Menü zusammenstellen will! Es sollte möglich sein, die Union in einer flexibleren Weise um die gemeinsamen Ziele herum zu organisieren. Solche gemeinsamen Ziele könnten von allen Mitgliedsstaaten erreicht werden, entsprechend den unterschiedlichen Bedingungen von Zeit und Methode. Dany Cohn-Bendit