„Man soll den Spargel lassen, wie er ist“

■ Meisterkoch Vincent Klink rät dringend zu Biospargel und einfachen Rezepten

Vincent Klink, 46, ist Wirt im Stuttgarter Restaurant „Wielandshöhe“. Das Fachjournal „Alles über Wein“ stufte ihn in die Elite der ersten zehn Köche Deutschlands ein. Nebenbei ist Klink Herausgeber des „Kulinarischen Almanachs“, in dem Autoren „frei vom Druck der Anzeigenkunden“ gegen modischen Unfug (Maultasche Hawaii!) und die Nahrungsmittelkonzerne (Gentomaten!) zu Felde ziehen. Klinks Wein-Tip zum Spargel: „Ein leichter, deutscher Riesling, trocken ausgebaut.“

taz: Herr Klink, jedes biedere Gasthaus gibt sich heute ganz furchtbar kreativ: mit einer Tiptop-Extra-Spargelkarte, möglichst zweiseitig.

Vincent Klink: Das ist der absolute Oberquatsch. Man soll den Spargel lassen, wie er ist. Richtig gemacht hat er sein ganz spezifisches Aroma: relativ zart und zurückhaltend. Aber was wird dem Spargel heute nicht alles angetan: Er wird durch den Wolf gedreht, zur Mousse püriert, mit Käse überbacken! Alles großer Mist.

Diese Getue ist ja auch nötig: Jeder weiß, das Zeugs ist bitter, weich und wäßrig.

Das stimmt doch nicht! Wenn der Spargel frisch geerntet ist, hat er schon ein sehr schönes Aroma. Ich kann das nicht näher beschreiben – es ist ein Konglomerat aus Bitter und Süß. Spargel hat viel Zucker, deshalb bekommen Sie beim Schälen klebrige Hände.

Ist es nicht wie bei Kaviar: teuer, also muß es auch schmecken?

Keine Frage. Spargel war schon bei den Römern kein Gemüse für jedermann. Aber er läßt sich schlicht und wunderbar zubereiten. Bei mir gibt's Spargel in einer einzigen Variante: mit Hollandaise oder Butter, dazu neue Kartoffeln – das war's. Wer möchte, bekommt ein kleines Kalbsschnitzel dazu. Die Hollandaise ist eine geniale Erfindung, sie schmeckt verflucht gut.

Klingt verführerisch einfach.

Sie müssen den Spargel nur genau am Punkt erwischen: daß er weich ist, aber noch fest. Vor zwanzig Jahren war es nach der Etikette, Spargel mit der Hand zu essen. Der wurde niemals geschnitten! Die Stange mußte man gefällig in den Mund befördern können, die durfte dabei nicht schlapp runterhängen, sondern stehen. Spargel ist sicher auch deshalb so beliebt, weil im Hinterhirn etwas von Phallussymbol angesiedelt ist. Spargel löst Phantasien aus.

Wenn ich diese Stangen nun perfekt vorführen will, lege ich ein Kilo in den Topf und ...

Halt! Sie müssen ihn erst schälen. Fünf Zentimeter unterhalb des Kopfs beginnen, nach hinten durchziehen und den Druck verstärken – ringsherum. Dann schneiden Sie am Ende etwas ab und binden die Stangen portionsweise zusammen, so gibt's hinterher kein Chaos beim Rausholen. Sie servieren ja alle Köpfe in eine Richtung, und zwar zum Essenden hin und nicht weg. Fragen Sie mich bloß nicht, warum. Es ist irgend ein Mythos, ich weiß es nicht.

Jetzt werden die Bündel ins Wasser geworfen?

Genau. Das Wasser kocht, ist gesalzen, bekommt eine Butterflocke obendrauf und eine Prise Zucker. Man sättigt das Wasser also mit Bestandteilen des Spargels, damit er nicht auslaugt. Sonst kochen Sie nämlich Spargelsuppe, und das Gemüse selbst schmeckt wäßrig. Wenn Sie Suppe wollen, dann kochen Sie lieber das Abgeschälte mit, binden das Ganze mit Sahne ab – eine durchaus wirtschaftliche Sache. Aber Obacht: Das Wasser soll nicht wie verrückt sprudeln, sondern leicht lächelnd vor sich hinblubbern.

Wann ist alles fertig?

Nach acht Minuten testen Sie mal. Am besten mit dem Messer am Ende ein Stück abschneiden und aufpassen, daß man sich die Finger nicht zu sehr verbrennt. Rausholen, auf den Teller, fertig.

In Geschäften werden spezielle Töpfe angeboten: dünn und hoch, zum stehend Kochen.

Schnickschnack. Eine Erfindung der Topfhersteller, um den Umsatz zu erhöhen.

Zu Luthers Zeiten wurde der Spargel seiner medizinischen Wirkung wegen gerühmt: „Er weichet den Bauch, und er treibet den Harn.“

Ganz eindeutig. Er ist gut gegen Hartleibigkeit, sprich: Der Stuhlgang flutscht. Und daß Spargel entwässert, bemerken Sie sofort.

Kurz: Spargel ist gesund.

Nur wenn die Qualität des Grundprodukts stimmt! Spargel wächst auf sehr sandigen Böden, die Stangen brauchen viele Nährstoffe, zehren die Erde stark aus. Also muß kräftig gedüngt werden, und vieles davon geht ins Grundwasser, weil die Böden sehr durchlässig sind. Ich habe den Verdacht, daß die meisten Bauern zuviel des Guten tun. Große Spargelkulturen sind unökologisch, sie belasten die Umwelt. Warum, bitte schön, kostet Spargel heute weniger als vor zehn, zwanzig Jahren? Das sollte einen doch hellhörig machen!

Finger weg vom Spargel!

Nein. Warum denn? Mein Spargel kommt von einem Biowinzer, der nebenbei ein paar Felder Spargel hat – das kostet eben ein paar Mark mehr. Aber im Spargelgeschäft sind die Biobauern noch Exoten, leider.

Wird nicht viel zuviel Kult getrieben um etwas, das zu 95 Prozent aus schnödem Wasser besteht?

Aber bitte, woraus besteht denn der Mensch? Wenn Sie mit Ihrer Frau im Bett liegen, denken Sie doch auch nicht: Das sind ein paar harte Zähne, und drumherum ist bloß Wasser! Interview: Herr Thömmes