■ Spargel hat Saison. Wir berichten vom Konkurrenzkampf zwischen Beelitzer, Bruchsaler und griechischen Bauern
: Sie stachen und sie kochten ihn

Spargel hat Saison. Wir berichten vom Konkurrenzkampf zwischen Beelitzer, Bruchsaler und griechischen Bauern

Sie stachen und sie kochten ihn

So ganz nebenbei, beim Sortieren der Spargelstangen, läßt Manfred Schmidt den gemeinen Satz fallen: „Die Berliner Chefköche finden den Bruchsaler Spargel etwas fade.“ Dann lugt er ganz unschuldig unter seiner Schirmmütze hervor: „Ich kann nichts dafür, unser Spargel ist eben würziger.“ Schicksal eben und Glück für die Landwirte des Beelitzer Spargelvereins. Manfred Schmidt ist ihr Präsident. Und der unumstrittene Spargelkönig der Region. Auf seinem Spargelhof im brandenburgischen Schlunkendorf bei Beelitz steht die Kundschaft Schlange.

Werktags ist Schmidt Angestellter beim Umweltamt. Doch am Wochenende zieht er die Gummistiefel über und drückt sich bei seinen Kunden herum. Motto: Hier wiegt der Chef. Was macht es schon, daß das Gemüse nicht immer von den eigenen vier Hektar kommt, sondern zugeliefert wird von größeren Anbauern. Bei Nebenberufler Schmidt riecht alles nach Familienbetrieb. Das mögen die Kunden aus dem 50 Kilometer entfernten Berlin, die 80 Prozent der Käufer ausmachen. „Hier geht es nicht so unpersönlich zu wie im Bruchsaler Großmarkt.“

„Sollen die doch reden, was sie wollen“, knurrt der Bruchsaler Spargel-Manager Karl-Martin Vielhauer. Er ist Prokurist der Obst- und Gemüse-Absatzgenossenschaft Bruchsal und ganz humorlos angesichts der Konkurrenz aus dem Osten. „In Berlin setzen wir kaum noch Bruchsaler Spargel ab.“ Dann tröstet er sich mit Zahlen: „Wir sind der Leitmarkt für europäischen Spargel, hier werden die höchsten Preise gezahlt. Unser feinporiger Sand bringt schneeweißen Spargel hervor.“

Natürlich: auch die Anbauer am Rhein, in Westfalen, Bayern, Niedersachsen und der Südpfalz halten ihren Spargel für unübertroffen. Doch in einem sind sich die deutschen Erzeuger einig: Der Feind ist der griechische Spargel. Wäßriges Zeug, weil viel zu stark gegossen, holzig und trocken, weil viel zu lange unterwegs. Und – vor allem – unverzeihlich billig. Mit Preisen von drei Mark pro Pfund verdirbt der UNO-subventionierte Importspargel den Markt.

Importarbeiter jedoch sind gern gesehen in deutschen Gemüselanden: „Ein Fiasko, als die UNO 1992 das Embargo gegen die Serben aussprach. Plötzlich standen wir da, mit 50 Hektar Spargel und ohne Leute“, erzählt Vielhauer. Heute stechen Polen und Türken, zu 7,50 Mark Stundenlohn plus Kost und Logis. „Deutschen ist die Arbeit zu schwer, die kassieren lieber Sozialhilfe.“ Auch beim Spargelschälen sind die Ausländer Spitze. Den Rekord hält die in Schwetzingen lebende Türkin Attift Gölglilei: Sie schafft einen Zentner in der Stunde, garantiert holzfrei.

64.000 Tonnen Spargel werden jährlich in Deutschland verzehrt, nur 41 Prozent stammen aus heimischer Produktion. 29 Prozent kommen aus Griechenland, 12 aus Spanien, neun aus Holland, sechs aus Frankreich. Zehn Wochen, bevor der deutsche Spargel schießt, liegt der griechische schon auf deutschen Tellern. Deshalb versuchten die Deutschen, die Saison künstlich vorzuverlegen. „Wir stülpen Plastikplanen über den Bifan, den Damm, damit die Erde schneller auf 16 Grad erwärmt wird. So gewinnen wir zwei Wochen.“

Außerdem werden fast nur männliche Pflanzen, sogenannte Hybriden, angebaut, die fünfmal ertragreicher sind als weibliche. Der Spargel ist also eine Männergesellschaft, kein Wunder, daß es hauptsächlich nur um das eine geht: Länge, Dicke, Zentimeter.

In drei Sorten teilt sich die weiße Spargelwelt: Klasse 1 Extra, mit weißem, fest geschlossenem Kopf, kerzengeradem Wuchs und einem Durchmesser von 16 bis 26 Millimeter; Klasse 1/12, mit gleichen Kriterien, einer Dicke zwischen 12 und 16 Millimetern und einer Länge zwischen 17 und 22 Zentimetern. Die Klasse zwei darf schon ein wenig krumm und rosa sein, mindestens 12 Millimeter dick und zwischen 12 und 22 Zentimeter lang. Hinzu kommt der durch Lichteinfall violett gewordene Spargel, der genauso gut schmeckt wie der weiße. Grüner Spargel wächst ganz aus dem Boden heraus und schmeckt gemüsig.

Von 14 Mark bis hinunter zu sechs Mark zahlt der Verbraucher für ein Kilo des teuren Liliengewächses. „Der Kunde bezahlt vor allem die Frische.“ Der Spargel ist nun mal keine Kartoffel, weiß Spargelbauer Schmidt, und deshalb hat man sich wohlklingende Namen ausgedacht für die edlen Sorten: Da liegt schon mal ein „Erfurter Riesenspargel“ auf dem Teller, da krönt der „Schwetzinger Meisterschuß“ die Festtafel, und der „Ruhm von Braunschweig“ schwimmt in der Buttersoße.

Aber pünktlich am 24. Juni ist Schluß mit der Schlemmerei: Ab dem Johannistag wird nicht mehr gestochen. Dann darf sich die erschöpfte Spargelpflanze ausruhen, grün austreiben und die Kraft entwickeln, die sie braucht, um im Frühjahr erneut das Königsgemüse schießen zu lassen. Michaela Schießl