„Rassismus? Kein Problem für uns“

Es gibt viele Beispiele dafür, daß Ausländer von Polizisten oft diskriminiert werden / Doch die Berliner Polizei sieht für ein Antirassismus-Training in ihren Reihen keine Notwendigkeit  ■ Von Kathi Seefeld

Gestern begann beim Landgericht Tiergarten ein Berufungsprozeß einer jungen schwarzen Deutschen. Die Frau war im Juni 1993 und 1994 am Rande von Demonstrationen in Auseinandersetzungen mit Polizisten verwickelt worden. Offenbar jedesmal aus der Tatsache heraus, keine Weiße zu sein, habe die Polizei sie zum Vorzeigen ihrer Personaldokumente aufgefordert. Sie habe reagiert, indem sie die Dienstnummer des Polizisten sehen wollte, worauf sie unter Schlägen und Beschimpfungen festgenommen worden sei. Die Frau erstattete Anzeige, die Beamten reagierten im Gegenzug mit Anzeigen wegen Widerstands, Beleidigung und Körperverletzung. Für die Körperverletzung war die zierliche Frau im Februar 1994 zu 50 Tagessätzen à 10 DM, für Widerstand und Beleidigung im zweiten Verfahren zu 30 Tagessätzen verurteilt worden.

Ein ehemaliger vietnamesischer Vertragsarbeiter erzählte vor zwei Tagen, daß Ende März, kurz nachdem in den Wohnheimen in der Marzahner Havemannstraße fünf Menschen den Rivalitäten von Erpresserbanden zum Opfer gefallen waren, eine großangelegte Polizeirazzia stattfand. „Alle Wohnungen des Hauses wurden durchsucht, alle Bewohner mußten ihre Zimmer verlassen.“ Der Mann, der hier Bleiberecht und eine feste Arbeit besitzt, stellte nach der Razzia fest, daß ihm 3.000 Dollar fehlten. Er hatte sie im Schrank versteckt und das Geld nur deshalb zu Hause aufbewahrt, weil er kurz zuvor ein paar Ersparnisse wegen des günstigen Dollarkurses umgetauscht hatte. Die sofort erstattete Anzeige hätte nichts ergeben.

Just einen Tag nachdem sich vor zwei Wochen erstmals vietnamesische Heimbewohner gegen eine Polizeimaßnahme wegen illegalen Lebensmittelhandels zur Wehr setzten, wurde am U-Bahnhof Samariterstraße in einer anderen Angelegenheit ein vietnamesischer Familienvater von einem Polizisten niedergeschossen. Der Mann ist inzwischen außer Lebensgefahr.

Drei Vorfälle, nicht die einzigen, wie der gerade bekanntgewordene Amnesty-international-Bericht belegt, bei denen das Vorgehen der Berliner Polizei offensichtlich rassistisch motiviert war. Von etwa fünfhundert bis siebenhundert Anzeigen gegen Beamte würden 15 bis 20 Prozent von Menschen ohne deutschen Paß erstattet, stellte Anfang dieser Woche eine Vertreterin der Antirassistischen Initiative Berlins fest.

Von unterschiedlichen Sichtweisen spricht dagegen der Mitarbeiter im Stab des Polizeipräsidenten, Michael Dörr. Rassismus sei in den Reihen der Beamten kein gravierendes Problem, besondere Maßnahmen somit nicht notwendig. „Im Rahmen der ganz normalen Berufsausbildung hospitieren die Polizeischüler nicht nur in Krankenhäusern und Pflegeheimen, sondern auch in Asylbewerberheimen.“ Wenn es dann um konkrete Einsatzvorbereitungen gehe, erführen die Beamten „ganz normal, was auf sie zukomme“. Straftäter würden in Asylbewerberheimen wie anderswo auch gestellt, eine Sonderbehandlung sei nicht im Interesse der Polizei, so Dörr, eine offene Auseinandersetzung wie vor vierzehn Tagen zwischen Beamten und vietnamesischen Wohnheimbewohnern die Ausnahme. Weshalb diese „Allerweltsmaßnahme“ dennoch eskalierte, werde zur Zeit geprüft und sei bekanntlich Thema des Innenausschusses.

„Wir verstärken derzeit unsere Bemühungen, Ausländer für die Reihen der Polizei zu werben. Das kann man anhand unserer Werbeanzeigen sehen.“ Die Resonanz für eine Ausbildung, bei deren Abschluß eine deutsche Staatsbürgerschaft erworben sein muß, ist aus der Sicht Michael Dörrs jedoch relativ gering. Etwas mehr als vierzig Bewerbungen seien eingegangen. Zwingen könne man natürlich niemanden. Außerdem, so der Polizeisprecher, „wollen wir auch nicht, daß unser Qualitätsstandard sinkt“.