■ Krabbe-Urteil
: Labyrinthisch

Hamburg (dpa) – Katrin Krabbe hat einen juristischen Sieg errungen, der für den Sport von fundamentaler Bedeutung sein könnte. Das Landgericht München I hat in seinem Urteil festgestellt, daß die vom Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) am 22.8. 1993 verhängte zweijährige Sperre gegen die Doppelweltmeisterin von 1991 über 100 und 200 Meter unwirksam ist. Zudem entschied das Gericht, daß die Schadenersatzansprüche von Katrin Krabbe – sie fordert 751.625 Mark – gegen den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und die IAAF gerechtfertigt sind. DLV und IAAF kündigten umgehend Berufung an, so daß das Urteil noch keinen endgültigen Charakter hat. Richter Wolfgang Rabl verzichtete auf das Verlesen der 140seitigen Urteilsbegründung: „Das sind derartige labyrinthische Gedankengänge, die nur schwer nachvollziehbar sind.“

„Die Verbände sind mit dem Urteil in die Schranken gewiesen worden“, kommentierte Krabbe-Anwalt Thomas Summerer. Mit Erleichterung nahm seine Mandantin, die in wenigen Tage ihr erstes Kind erwartet, die Entscheidung in erster Instanz auf: „Ich freue mich unheimlich.“ Beim DLV löste der überraschende Richterspruch zwiespältige Reaktionen aus. „Der Verband ist in seinem Vorgehen voll und ganz bestätigt worden“, erklärte DLV-Präsident Helmut Digel. Schließlich hat das Gericht die vom DLV gegen Katrin Krabbe verhängte einjährige Sperre wegen Medikamentenmißbrauchs nicht moniert, sondern lediglich die „Verlängerung“ um zwei Jahre durch die IAAF. „Jetzt haben wir in der Diskussion über die Länge von Sperren endlich einen konkreten Bezug.“

IAAF-Rechtsanwalt Werner Martens (München) empfindet einen weiteren bemerkenswerten Aspekt des Spruches als „sehr beunruhigend“: daß das Gericht den DLV quasi als Dependance der IAAF anerkannt hat. „Das könnte weitreichende Folgen haben. So könnte demnächst jeder internationale Verband in Deutschland verklagt werden.“ In einer am Sitz der IAAF in Monte Carlo verbreiteten Stellungnahme verwies der Weltverband darauf, daß es nicht in der Kompetenz ziviler Gerichte liege, über Angelegenheiten der Sportverbände zu entscheiden.