Von Notfällen und anderen Ausländerfeindlichkeiten Von Klaudia Brunst

Freie Parkplätze sind in Berlin noch rarer als bezahlbarer Wohnraum. In unserer Straße soll es sogar schon Messerstechereien wegen einer Zweite-Reihe-Lücke gegeben haben. Am sichersten ist es, man bewegt den Wagen gar nicht.

Neulich mußte ich aber doch mal. Das Auto benutzen. Mein schwuler Freund hatte sich den Fuß verstaucht. In der Sauna. Und nun sollte ich ihn abholen. Ein echter Notfall also. Besonders, weil mir schon beim Losfahren klar war, daß ich später einen Parkplatz direkt vor der Tür brauchen würde. Wegen des Beins.

Aber wir hatten Glück. Vor meinem bezahlbaren Wohnraum klaffte eine erfreuliche Lücke – und weit und breit keine in der Dunkelheit lauernde Limousine, die mir den Parkplatz vor der Nase hätte wegschnappen können. Allerdings hockte am Bordstein ein Typ in Trainingsanzug und adidas- Latschen. Ich blinkte zweimal auf, um ihn zu warnen, und wollte gerade rückwärts in den soeben noch freien Raum setzen – als sich da plötzlich doch etwas querstellte. Der Trainingsanzug nämlich. „Besetzt!“ rief er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Kollege kommt gleich!“ So was kann ich ja besonders leiden.

Schon aus ordnungspolitischen Prinzipien („Was wäre, wenn das jeder täte?“) setzte ich noch ein Stück weiter zurück. „Nix Parken hier!“ wütete der Blockierer. „Nix stehen hier!“ wütete ich zurück. „Das war jetzt aber ausländerfeindlich“, meldete sich mein schwuler Freund nachdenklich von der Rückbank. „Das ist doch bestimmt ein Pole. Die haben hier doch auch ein Bleiberecht.“ – „Aber nicht als Fußgänger in einer Parklücke“, gab ich zurück. „Und wenn der Kollege mit dem Auto jetzt doch noch kommt?“ – „Dann steht immerhin noch Minderheit gegen Minderheit“, meinte ich und rangierte meinen Wagen noch eben schnell so vor Platzhalter und Lücke, daß der soeben um die Ecke biegende Lada keine Chance zum Einparken haben würde. „Mach die Schotten dicht“, flüsterte ich, und kurbelte das Fenster hoch. „Jetzt geht es um unsere Ehre.“ – „Oder um unseren Kopf“, meinte mein schwuler Freund, als dem Lada vier weitere Trainingsanzüge entstiegen. „Und wenn wir doch einfach weiterfahren?“

Aber dazu war es nun irgendwie zu spät. Aus der Kneipe nebenan waren die Schaulustigen schon auf die Straße getreten, und ein Passant bot abwechselnd uns und der Gegenseite an, die Polizei zu holen. Er habe alles genau beobachtet und könne also im Falle einer kämpferischen Auseinandersetzung als Zeuge benannt werden.

Ungefähr eine halbe Stunde passierte gar nichts. Dann holten die Polen einen Zollstock aus ihrem Wagen, vermaßen die Straße und mein Auto und postierten dann je zwei Mann vor und hinter unserem Wagen. Jetzt konnten wir sowieso nicht mehr weg.

Tatenlos, aber von dem Augenmaß des Fahrers nicht ganz unbeeindruckt, mußte ich dabei zusehen, wie der Lada millimeterweise an uns vorbei in die Parklücke einscherte. „Saubere Arbeit!“ rief ich ihm zu und parkte ein paar Meter weiter ein, wo schon seit längerem ein Parkplatz frei war. „Wenn ich jetzt dächte, die Polen könnten uns heute nacht die Reifen aufschlitzen“, meinte mein schwuler Freund vorsichtig, „wäre das dann ausländerfeindliches Gedankengut oder Gewalt gegen Homos?“