■ Es war die schwierigste Fahndung in der Geschichte des BKA: Über ein Jahr suchten die Beamten in aller Welt, bis sie den geflüchteten Baulöwen Jürgen Schneider in Miami fanden. Nun folgt ein kompliziertes...
: Der Hai trug kein Toupet mehr

Es war die schwierigste Fahndung in der Geschichte des BKA: Über ein Jahr suchten die Beamten in aller Welt, bis sie den geflüchteten Baulöwen Jürgen Schneider in Miami fanden. Nun folgt ein kompliziertes Auslieferungsverfahren mit den USA.

Der Hai trug kein Toupet mehr

Mit Ausnahme von Alaska und Grönland, so BKA-Zielfahndungsleiter Hans Schmied, sei das Ehepaar Schneider weltweit gesehen worden. Und diese „Masse von Spuren“ habe die Fahndung nicht gerade erleichtert. Doch Ende gut – alles gut? Beamte des FBI und des BKA haben Dr. Jürgen Schneider und seine Ehefrau Claudia Schneider-Granzow am Donnerstag, 15.30 Uhr Ortszeit, nördlich von Miami, Florida festnehmen können.

Als „extrem heiß“ hatte sich die Spur Luigi Poletti erwiesen. Der Italiener, den das BKA als „eine Person aus dem Umfeld Schneiders“ darstellt, fungierte als Kurier zwischen der Anwaltskanzlei von Schneider in der Schweiz und dem Ehepaar Schneider im „Exil“. Als Poletti am vergangenen Dienstag von Genf via Frankfurt/Main nach Miami flog, hefteten sich BKA- Beamte an seine Fersen. Poletti mietete sich in Miami in einem Apartmenthaus ein und beschaffte sich einen Leihwagen. Mit einer weiteren Person fuhr der Kurier dann zum Einkaufen: „Alkoholika jede Menge und Obst“, sagte Schmied gestern auf einer Pressekonferenz von BKA und Frankfurter Staatsanwaltschaft in Wiesbaden. Als Poletti dann noch die Capital-Bank in Miami besuchte, sahen sich FBI- und BKA-Beamte die zweite Person genauer an: Da saß doch tatsächlich Dr. Jürgen Schneider auf dem Beifahrersitz – „ohne Toupet, Platte offen“ (Schmied). „Ja, ich bin's“, habe Schneider gleich gesagt. Widerstandslos ließ er sich von FBI-Beamten Handschellen anlegen. Gut eine Stunde später sei dann auch seine Frau festgenommen worden. Das Ehepaar sitze zur Zeit in „vorläufiger Auslieferungshaft“, erklärte der Frankfurter Staatsanwalt Dieter Haike, dessen Dezernat für die Ermittlungen gegen Schneider zuständig war.

Fast exakt 13 Monate hatte die Fahndung nach dem flüchtigen Baulöwen aus Königstein gedauert. Und die Fahndung sei die schwierigste in der Geschichte des BKA gewesen, sagte Schmied. Dabei wußten BKA und Staatsanwaltschaft schon seit Ende April 1994, daß die Gesuchten von Genf aus nach Washington geflogen waren – „mit ihren ganz normalen Personalpapieren“. Da habe allerdings noch kein Haftbefehl gegen das Ehepaar vorgelegen. Und in Washington soll sich dann die Spur verloren haben. Miami sei von Anfang an ein „heißer Tip“ gewesen, sagte Zielfahnder Schmied. Doch in den Staaten gäbe es leider kein Melderecht. Und in Miami und Umgebung seien untergetauchte Personen nur schwer zu finden. „Miami Vice“ läßt grüßen. Ob sich das Ehepaar Schneider die ganze Zeit über in Miami aufgehalten hat, konnten weder BKA noch Staatsanwaltschaft sagen. In Florida hätten die Schneiders jedenfalls unter falschem Namen gelebt. Poletti sei ihr „Fluchthelfer, Wohnungsbeschaffer, Fahrer und Verpfleger“ gewesen. Und auch das Tonband, das am Mittwoch dem ZDF vorlag, sei von Poletti zu den Anwälten von Schneider nach Genf gebracht worden. Beim Rückflug von Poletti saßen dann BKA-Beamte mit in der Maschine. Das Tonband – Schneiders entscheidender Fehler.

Ob von den 240 Millionen Mark, die die Schneiders mit auf die Flucht genommen hatten, noch etwas übrig ist, wußten BKA und Staatsanwaltschaft nicht zu sagen. Auch Konten seien noch nicht gesichtet worden. Das Ersuchen, das Ehepaar Schneider in vorläufige Abschiebehaft zu nehmen, war von der Staatsanwaltschaft schon vor einem halben Jahr nach Washington geschickt worden. Der nächste Schritt, so Staatsanwalt Haike, sei die Einleitung eines förmlichen Auslieferungsverfahrens, das sich auf den „Haftbefehl in neuester Fassung“ stützen müsse. Darin werden Schneider schwerer Betrug, Kreditbetrug und die Veruntreuung der 240 Millionen Mark vorgeworfen. Da sich bei Schneiders „der Mann um die Geschäfte kümmerte“, so Haike, könne Frau Schneider-Granzow lediglich die Beteiligung an der Veruntreuung der „Reisekasse“ vorgeworfen werden.

Es wird nicht einfach werden, das Ehepaar Schneider vor Gericht stellen zu können, erklärte Oberstaatsanwalt Job Tillmann. Anders als in europäischen Ländern, wo es nur um Formalia gehe, werde bei Auslieferungsgesuchen an die USA nämlich auch überprüft, ob der „dringende Tatverdacht“ zu Recht bestehe. Möglicherweise, so Tillmann, werde die Frankfurter Staatsanwaltschaft in die Staaten reisen müssen, um dort vor Gericht das Auslieferungsbegehren mündlich zu begründen.

Noch nicht einmal in ihre Redaktionen reisen konnten die rund hundert JournalistInnen, die gestern die Pressekonferenz von BKA und Staatsanwaltschaft besucht hatten. Das BKA nahm die Presse in „Schutzhaft“, weil vor dem Gebäude ein „verdächtiges unbekanntes Fahrzeug“ abgestellt worden war. Da mußte erst der „Sprengstoffschnupperhund“ aus Darmstadt herbeigeschafft werden. Der Sicherheitsalarm beim BKA wurde am frühen Nachmittag aufgehoben. Klaus-Peter Klingelschmitt,

Wiesbaden