Illegalize It!

■ Die Lehre aus Dr. Schneiders Fall

Lange bevor das Bundesverfassungsgericht den Genuß von Haschisch in geringen Mengen freigab, konnte sich der junge Mensch bereits an einer weit gefährlicheren Droge berauschen, an unverschnittenem Geld. Unschuldige, leicht verführbare Gemüter werden über Lehrlings- und Ausbildungskonten allmählich in die Sucht gelockt, die Kreditkarte zum Abitur erhöht Dosis und Abhängigkeit, aus der einen die Dealer nicht mehr entlassen: Einrichtungskredite, Bausparverträge, Abschreibungsmodelle, Zwischenfinanzierungen und Überbrückungsdarlehen halten den Adepten in dumpfer Abhängigkeit, in der er nur noch ein Gebot kennt: Mehr!

Eines jener unschuldigen Gemüter, die der Suchtteufel Geld in den Ruin getrieben hat, ist der „Frankfurter Bubb“ Dr. Jürgen Schneider, wahrlich ein Lehrstück für die jüngere Generation. Der kleine Jürgen kam aus ebenso kleinen Verhältnissen, der Sinn stand ihm nach Höherem, was lag da näher als das Baugewerbe, wo er besonders hoch hinaus konnte. Nur Geld brauchte er dazu, denn ohne Geld half ihm sein ganzes Geschick mit der Kelle nichts. Und der kleine Jürgen borgte. Er heiratete eine reiche Frau und verbaute deren Geld, er lieh sich Geld bei Groß- und Kleinbanken, bei Landeszentral- und Volksbanken, in hohen und höchsten Kreisen. Er heiratete, einmal auf den Geschmack gekommen, noch eine reiche Frau und verbaute auch deren Geld. Geld war seine einziger Gedanke, Geld, immer nur Geld.

Andere hätte bald der Schwindel erfaßt vor den Millionen und Milliarden. Der kleine Suchti aber kaufte alte Gebäude, riß sie nieder, ließ nur die Fassade stehen und hinter dem Denkmalschutz eine fantastische Belle Époque errichten, die gut, teuer und sehr, sehr alt aussah. So alt, daß die Banken bereitwillig Geld durch die Sprossenfenster schaufelten. In Mailänder Galerien, florentinischen Innenhöfen und bei venezianischen Wasserspielen warb Dr. Schneider mit Streichmusik und Äppelwoi bereits die nächste Drückergeneration an. Der teuflische Suchtkreislauf pulste fort und fort. Immer mehr Stoff verlangte die größenwahnsinnige Baulust Dr. Schneiders. Die Banken halfen weiter, streckten gutes Geld mit schlechtem, putschten den längst an der Nadel hängenden Doktor mit neuen Finanzspritzen auf, bis in seinen Adern das reine Gift kreiste. Längst war das Bewußtsein des kleinen Jürgen getrübt, das Leben am Bau ein einziger Fiebertraum. Im Februar 1994 wollte sich Dr. Jürgen Schneider in sein Schicksal fügen, bat seinen Hauptdealer, die Deutsche Bank, um den goldenen Schuß. Der gewissenlose Pusher zeigte indes kein Mitleid, er wollte den Süchtigen sterben lassen und ihn dann ausplündern wie schon so viele vor ihm.

Da endlich regte sich der Überlebenswille im kleinen Jürgen. In einem allerletzten Aufbäumen beschloß er, selber all jene zu übertölpeln, die sich an seiner Sucht dumm und dämlich verdient hatten. Mit beinah epileptisch zuckenden Fingern rubelte er seine Bauschulden in gutes Geld um, verschob es innerhalb weniger Tage auf die steuerfreundlichen Bahamas und verabschiedete sich in eine selbstverordnete Entziehungskur. Schwer auf Turkey, aber wohlversorgt mit Austauschstoffen, verschwand der Dr. Schneider in Miami.

Doch auch wenn der „Frankfurter Bubb“ demonstriert, daß das Schweinesystem mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen ist, sollte uns diese traurige Junkiekarriere eine Lehre sein. Der kleine Jürgen wurde nämlich rückfällig. Am Donnerstag schnappten sie ihn, als er sich aus dem Automaten neuen Stoff besorgen wollte. Das Geld, das so viele junge Menschen in Not und Elend gestürzt hat, die gemeingefährliche Droge Geld muß schleunigst aus dem Verkehr gezogen werden. Willi Winkler