Der Nullenmacher

■ Der neue Sat.1-Programmchef Fred Kogel präsentierte der Presse sich und sein künftiges Programm: viel englisches Kauderwelsch und ein paar deutsche Stars

Donnerstag ist es, elf Uhr morgens und „janz weit draußen“. An die edle Berliner Havelchaussee, also dorthin, wo Berlin so unberlinisch ist wie sonst nirgendwo, hat Sat.1 die Presse geladen, um zu verkünden, daß man soeben die Hauptstadtfrage für sich geklärt hat: Der Drei-Länder-Sender Sat.1 wird sich von seinen beiden Provinzstandorten Hamburg („Sport“ und „Politik“) und Mainz („Sendeablaufzentrale“) verabschieden und künftig ausschließlich in der Spreemetropole produzieren.

Die hatte bisher nur die „Unterhaltungsabteilung“ des Senders beherbergt. Aber es wäre unfair, nun zu behaupten, auch hinter diesem gigantischen Umzug stünde der ehemalige ZDF-Unterhaltungschef und neue Sat.1-Superprogrammdirektor Fred Kogel (34). Der hat sich zwar eigenen Bekundungen zufolge im „piefigen Mainz“ nie so recht wohl gefühlt. Aber der Berliner Sat.1-Neubau war, soviel steht fest, bereits vor Kogels Zeit in Auftrag gegeben.

Alles andere, was Sat.1 bisher ausmachte, will der Neue durchaus über den Haufen werfen. Und weil es so viel ist, holt er an diesem Morgen an der Havel auch janz weit aus: Kogel erklärt uns und den Sat.1-Chefs Hans Grimm und Jürgen Doetz, wie man Fernsehen richtig macht. Nur kurz dürfen die beiden altgedienten Herren aus dem Hintergrund einmal in die Runde nicken, dann gehört die Bühne Super-Fredi allein. Das erinnerte schon arg an Kogels Einführung beim ZDF, vor nicht mal zwei Jahren. Da hatte Intendant Dieter Stolte seine Geheimwaffe im ZDF-Verjüngungskampf auch so still und stolz grinsend präsentiert.

„Freie Hand“ hatte man Kogel beim ZDF gegeben und gutes (öffentlich-rechtliches) Geld. 200.000 Mark soll der Quereinsteiger dem ZDF wert gewesen sein. Als Gegenleistung hatte er seine Münchner Busenfreunde Fritz Egner und Thomas Gottschalk an den Main geholt und den ungeliebten Quotenossi Wolfgang Lippert mit einer „Goldmillion“ abgefunden. Jetzt munkelt die Branche von einer echten Million Jahreshonorar für Kogel, und sein neuer Arbeitgeber Sat.1 darf – wer besser zahlt, bekommt auch mehr – neben Fritz Egner und Thomas Gottschalk auch noch Harald Schmidt (bisher ARD) und Kai Plaume (ehemals RTL) sein eigen nennen.

Seit seinem kurzen öffentlich- rechtlichen Gastspiel ist der Shooting-Star Kogel in den Verruf geraten, tatsächlich gar keine neuen Ideen, sondern nur alte Stars im Huckepack von Sender zu Sender zu schleppen. Und so muß sich Fredi an diesem Morgen ordentlich ins Zeug legen: Über alles und jedes will er sich schon Gedanken gemacht haben – meistens auf englisch, damit es professioneller klingt: Die Daytime und die Late- night will er reformieren, das On- air-Design überarbeiten und den Event-Marketing-Bereich stärken. Dann noch das New-Business-Development aufbauen und sich im Merchandising verstärkt engagieren.

Die Mega-Hits im Serienbereich wie „Anna Maria“, „A.S.“ und „Der König“ findet der natürlich super, aber aus „Für alle Fälle Stephanie“ will er die erste deutsche Weekly Soap machen und das News-Magazin braucht einen Anchorman. Für diese Rolle hätte Kogel übrigens gerne Günther Jauch eingekauft, aber da hat das Geld wohl nicht mehr gereicht.

Übersetzt man all die hochtrabenden Begriffe ins Deutsche, bleibt eine alte Volksweisheit über: Klappern gehört zum Handwerk. Natürlich macht es im Zeitalter des Zapping durchaus Sinn, die vielen verschiedenen Erscheinungsformen einzelner Sendungen mit einem einheitlichen Design zusammenzuführen, und natürlich braucht's eine ordentliche Senderbindung und also ein paar hübsche Veranstaltungen rund ums Programm. Daß Sat.1 nun auch eine Letterman-Kopie an das Ende des Tagesablaufplans packen würde, war zu erwarten, und die neuen Folgen von „Anna Maria“ stehen sowieso längst auf dem Produktionsplan.

Damit wir ihm auch alle folgen können, wechselt Kogel bei der wirklich neuen, bewegenden Frage „Was wird aus dem Sat.1-Ball?“ (Stichwort: On-air-Design!) dann doch wieder ins (Werbe-)Hochdeutsch: Die Sat.1-Werbetrenner seien derzeit halt problematisch, so Kogels Analyse, denn „der Ball hat im Moment ein schlechtes Image am Markt“. Man arbeite aber dran. Denn an sich sei der Ball ja nicht schlecht. Der könne ja durchaus auch dynamisch sein, und bunt sei er auch mit seinen vielen Farben – so bunt wie das Sat.1-Programm, das er (hoppla!) doch eben noch vereinheitlichen wollte.

Gegen Mittag, als all die vielen englischen und deutschen Nullworte und -ideen endlich abgespult sind, kommt dann doch noch eine echte Botschaft über das Nullmedium Fernsehen aus dem Mund des Nullenmachers: Die „Nullschiene“ hat er sich ausgedacht, um Sat.1 endlich zur Marktführerschaft zu verhelfen. Will sagen, alle Sendungen sollen künftig zur vollen Stunde anfangen, „also um sechs, um sieben, um acht und so fort“. Das schaffe Orientierung im Programmfluß und gehe nebenher auch noch die „Acht-Uhr-Grenze an“. Die ist bislang – dank des News-Magazins „Tagesschau“ – immer noch fest in der Hand der ARD. Die Kogel übrigens noch nicht null und nichtig reformiert hat. Aber das kann ja noch kommen. Tomorrow ist ja auch noch ein Tag. Klaudia Brunst