■ Rumäniens politische Polizei
: Vom bloßen Mittel zur Macht selbst

Zwei Ansichten prägen heute in Rumänien das Verhältnis zum Geheimdienst: Nach offizieller Lesart hat der Rumänische Informationsdienst (SRI) nichts mit der berüchtigten Securitate zu tun. Er schützt die Stabilität des Landes vor Spionen und Terroristen – nicht als politische Polizei, sondern als „normale“, neutrale Organisation. Die Opposition hingegen meint, außer der Umbenennung der Securitate in SRI habe sich nichts geändert. Die Wirklichkeit ist weitaus komplexer als diese beiden Standpunkte.

Der SRI übernahm nach seiner Gründung im März 1990 die Mehrheit der Securitate-Mitarbeiter. Sein Betätigungsfeld trägt weiterhin politischen Charakter: Der SRI sichert nicht die Stabilität des Landes, sondern die der gegenwärtigen Machtverhältnisse. Geändert hat sich allerdings das Vorgehen: Stil und Methode des SRI sind raffinierter, er arbeitet effektiver als sein Vorgänger – und noch geheimer. Er leitet, manipuliert, erpreßt aus dem Hintergrund.

Der SRI unterstützte die Gründung extremistischer Parteien, die heute an der Macht beteiligt sind – finanziell und indem er eine nationalistische Massenpsychose schuf: Er spielte eine aktive Rolle beim Ausbruch der blutigen Auseinandersetzungen zwischen Ungarn und Rumänen im März 1990 in Tirgu Mures und beim Überfall der Bergarbeiter auf oppositionelle Demonstranten in Bukarest im Juni 1990. Auch half er mit, im September 1990 die Reformer um den Regierungschef Petre Roman zu stürzen. Die halbherzigen Wirtschaftsreformen, das wenigstens verbale Ziel einer europäischen Integration, torpediert der SRI erfolgreich. Im Sinne einer Abschottung sät er Mißtrauen gegenüber allem „Fremden“, „Nichtrumänischen“. Er versucht die Beziehungen Rumäniens mit dem Ausland zu verschlechtern und bezichtigt ausländische Institutionen, Firmen und Geschäftsleute der Wirtschaftsspionage.

Diese Überbetonung der Gefahr, in der Rumänien angeblich schwebt, hat nicht bloß mit der Selbstlegitimation des Geheimdienstes zu tun. Rumänien befindet sich heute in einer Situation, die historisch ihresgleichen sucht. Die Securitate war lediglich ein Mittel, mit dem der jeweilige Diktator und die jeweilige Parteiführung ihre Macht erhielten. Mit der Geburt des SRI haben sich die Rollen vertauscht: Die politische Polizei ist nicht mehr nur das Mittel, sondern die Macht selbst – ihre Instrumente sind die seit fünf Jahren herrschenden Parteien. Eine Demokratisierung des Landes wird nicht stattfinden, solange dieser Apparat existiert. Peter Bányai

Der Autor ist einer der renommiertesten Kenner der Geschichte des rumänischen Kommunismus. Er arbeitet als politischer Kommentator im rumänischen Cluj