Spaniens Piloten rechnen anders

■ Flugpersonal bei Iberia will Sanierung durch Lohnkürzung und Stellenstreichung nicht akzeptieren

Madrid (taz) – Wieder einmal hat die spanische Fluggesellschaft Iberia ihre Rechnung ohne die Piloten gemacht. Seit heute bieten Spaniens Inlandsflugterminals ein Bild des Chaos. Schuld daran ist ein dreitägiger Streik der Pilotengewerkschaft bei Iberias Inlandstochter Aviaco.

Der Grund: Die Geschäftsführung will die Konzerntochter umstrukturieren beziehungsweise, sie will künftig durchschnittlich 8,5 Prozent weniger Lohn zahlen und 15 Prozent der insgesamt 1.900 Stellen streichen. Billiger und schlanker will man der Konkurrenz, Folge der schrittweisen Liberalisierung des EU-Luftraumes, davonfliegen.

Von einer Notoperation kann allerdings bei Aviaco keine Rede sein. Die Gesellschaft blickt sogar auf ein Finanzpolster von 200 Millionen Mark. Aber die Geschäftsführung verweist auf die Entwicklung der letzten Jahre.

Neugegründete private Fluggesellschaften wie Air Europe, Spanair und Air Nostrum machen Aviaco zu schaffen. Kostete ein Ticket Madrid–Barcelona–Madrid vor der Öffnung des Marktes über 300 Mark, ist die gleiche Strecke jetzt schon für 180 zu haben. Der Gewinn von Aviaco schrumpfte so von 16 Millionen Mark im Jahre 1993 auf 2,7 Millionen 1994 zusammen. Tendenz weiter sinkend. Im ersten Quartal 1995 sanken die Einnahmen um weitere 5 Prozent. Zu wenig, weil in den nächsten Jahren eine Erneuerung des Flugzeugparks für 600 Millionen Dollar ins Haus steht.

Währenddessen schaut bei der Mutter Iberia alles gespannt auf EU-Kommissar Karel van Miert. An ihm hängt es, ob der Staat noch einmal 1,5 Milliarden Mark zuschießen darf oder nicht. Um den Segen von Brüssel zu erhalten, wurde Ende letzten Jahres nach einer Streikwelle zwischen Gewerkschaften und Iberia ein Abkommen unterzeichnet, das 8 Prozent weniger Lohn vorsieht. Insgesamt 125 Millionen Mark werden so eingespart werden. Und 3.500 Arbeitsplätze werden abgebaut.

Die Fluggesellschaft hatte in den letzten drei Jahren fast 2 Milliarden Mark Gesellschafterkapital verloren. Der Finanzbericht 1994 wies 6 Milliarden Mark Schulden gegenüber 0,9 Milliarden Mark auf den Konten der Gesellschaft und 1,7 Milliarden in Immobilien und Flugzeuge aus. Damit verstößt das Luftfahrtunternehmen lange gegen das spanische Aktiengesetz.

Und der Gesamtwert von Iberia erreicht heute gerade noch 2,6 Milliarden, die gleiche Summe, die man 1992 vom Staat erhielt um per Aktienkäufe bei Aerolineas Argentinas den Markt zu erweitern, um so bei den Großen mitzuhalten. Eine Fehlentscheidung, wie sich herausstellen sollte. Iberia kam ins Schlingern. Reiner Wandler