SPD will die Kommunen entlasten

■ Partei legt Leitlinien zur Reform der Sozialhilfe vor / Kernpunkt: Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes

Bonn (taz) – Mit eigenen „Leitsätzen zur Reform der Sozialhilfe“ tritt die SPD gegen den Reformvorschlag des Bundesgesundheitsministers Horst Seehofer (CSU) an. „Für uns ist das Eckdatenpapier der Bundesregierung nicht verhandlungsfähig“, meinte gestern der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Rudolf Dreßler. Mit den Seehofer- Vorschlägen solle nur der Bund auf Kosten der Kommunen entlastet werden. Die Sozialpolitiker der SPD-geführten Bundesländer, auf deren Stimmen Seehofer im Bundesrat angewiesen ist, hatten schon vor einiger Zeit ein Gesprächsangebot des Ministers zu dem Papier abgesagt.

Die SPD setzt in ihren Leitlinien auf eine stärkere Beanspruchung der „vorrangigen Sicherungssysteme“ wie der Arbeitslosenhilfe oder des Kinder- und Wohngelds. Denn häufig werde Sozialhilfe benötigt, weil andere Unterstützungshilfen nicht greifen würden. Um Abhilfe zu schaffen, will die SPD zum Beispiel eine Reintegration arbeitsloser Sozialhilfeempfänger durch eine Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes. In diesem Fall würden die entstehenden Kosten anders als im Seehofer-Papier nicht ausschließlich über die Kommunen, sondern größtenteils von der Bundesanstalt für Arbeit finanziert. Außerdem sollen die Lohnersatzleistungen so hoch sein, daß Sozialhilfe nicht mehr zusätzlich gezahlt werden muß. Die SPD lehnt die Pläne der Bundesregierung ab, die Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre zu befristen. „Damit müßten die Kommunen weitere vier Milliarden Mark zahlen“, schimpfte Dreßler.

Weitere Vorschläge zur Entlastung der Sozialhilfe sind: ein einheitliches, einkommensunabhängiges Kindergeld von mindestens 250 Mark. Das Wohngeld für Sozialhilfeempfänger soll „auf möglichst 100 Prozent der angemessenen Wohnkosten“ angehoben werden. Für Behinderte will die SPD ein vorrangiges Leistungsgesetz schaffen. Außerdem sei eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung erforderlich. Die SPD hält am Bedarfdeckungsprinzip als Maßstab für die Höhe der Sozialhilfe fest. Seehofer will dagegen die „Stütze“ an die Entwicklung der Nettolöhne koppeln. Auch das Bundessozialhilfegesetz will die SPD ändern. Dazu gehören mehr pauschalierte Leistungen als bisher und das Recht auf ein Guthabenkonto bei Banken und Sparkassen. Dreßler betonte, die bestehenden Gesetze reichten aus, um den angeblichen Mißbrauch in der Sozialhilfe zu verhindern. Doch habe auch die Bundesregierung bisher keine verläßlichen Zahlen dafür liefern können, daß bei der Sozialhilfe mehr geschummelt werde als etwa bei den Steuern und Subventionen. Karin Nink