Streng heterogen

■ Der Historischen Kommission in Berlin droht das Aus, weil ein "Institut für Preußenforschung" gefördert werden soll

Daß in den öffentlichen Haushalten gespart werden muß, ist unbestritten; umstritten allerdings das Wo und Wie. Und unumstritten bleibt die Meisterschaft der Rotstift-Zampanos, Ost gegen West auszuspielen, Brecht gegen Schiller, Autos gegen Kinder. Seit dem 19. Mai 1995 weiß auch die „Historische Kommission zu Berlin“ von ihrem Stellenwert im deutsch-deutschen Förderungsgerangel: Am 31. Dezember 1995 steht sie nach 37 Jahren vor dem Aus – wegen akuter Etaterhöhung. Weil das Land Berlin und das Land Brandenburg ab 1. Januar 1996 mit je 1,5 Millionen Mark ein „Institut für Preußenforschung“ finanzieren wollen, stellt Berlin zum Jahresende alle Zahlungen an die Historische Kommission zu Berlin ein, die etwa ein Drittel ihres Etats vom Land Berlin erhält. Der parallel bewilligte Etat von drei Millionen Mark soll ausschließlich der Finanzierung der Preußenforschung dienen, ein Feld, das seit 1981 fest im Forschungsplan der Historischen Kommission verankert ist. Wenn die Zahlungen in Höhe von 2,2 Millionen Mark wegfallen, fehlt der Historischen Kommission die institutionelle Grundlage, um Forschungsgelder oder ABM-Mittel einzuwerben, die doppelt so hoch sind. Der Berliner Senat spart 600.000 Mark und vernichtet mittelbar Arbeitsplätze mit einem Finanzvolumen von drei bis vier Millionen Mark sowie 22 Arbeitsplätze, die unmittelbar von der Senatsfinanzierung abhängen. Verlustig gehen der Historischen Kommission auch Nutzungsrechte an einer denkmalgeschützten Villa der Volkswagen-Stiftung, die sie räumen muß, weil sie ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen kann. Diese unentgeltlichen Nutzungsrechte will das neue Institut erwerben.

Was also hat die Historische Kommission falsch gemacht? Hätte sie die Bitten mehrerer Bundestagspräsidenten abschlagen sollen, zu zentralen Ereignissen internationale Tagungen zu Machtergreifung, Beginn des Zweiten Weltkrieges, 20. Juli 1944 zu veranstalten? Oder die Bitten des Senats, sich im Preußenjahr und zum Berlin-Jubiläum nicht nur der wissenschaftlichen Öffentlichkeit mitzuteilen? War es falsch, in den 70er und 80er Jahren den in die Arbeitslosigkeit entlassenen Hochschulabsolventen ABM-Stellen anzubieten oder gar den über hundert Kollegen aus dem aufgesogenen Ostteil der Stadt? War es falsch, in den 60er Jahren die Industrialisierungsforschung zu initiieren? Oder die Geschichte der Arbeiterbewegung? Oder war es die historische Wahlforschung und der Inflationsschwerpunkt? Hätte sie die Anregung von Frau Barbara John mißachten sollen, über „Fremde in Berlin“ zu publizieren? Davon ist nirgends die Rede.

Der unmaskierte Vorwurf des Senats lautet: Die Historische Kommission ist zu heterogen! Und sie ist schändlicherweise ein Verein. Ein Verein aber, der sich der Verantwortung vor der Öffentlichkeit bewußt ist und deshalb nicht nur für die Zunft produziert, bleibt ein Verein. Und Vereine sind mitunter schwierig, stehen nicht immer stramm und neigen, wenn sie lebendig sind, dazu, heterogen zu sein. Das darf in einer pluralistischen Gesellschaft nicht sein. Deshalb das Institut für Preußenforschung, das eine Stiftung sein wird, in deren Entscheidungsgremien eben jene sitzen werden, die sich in das gemachte Bett der Historischen Kommission legen werden, streng monogam, versteht sich. Dann können sich die 22 Mitarbeiter (zwölf weibliche und zehn männliche), von denen 15 älter als 50 Jahre sind (davon acht weiblich und sieben männlich), auf die erste Stelle hinter dem Komma bewerben. Die Kollegen mit befristeten Verträgen existieren für den Senat ohnehin nicht. Dirk H. Müller