Eindringlinge im Kulturtempel?

Wintergarten und Aufbau-Verlag – „Sentimentalitätenhändler“ nennt Moritz Müller-Wirth die beiden Kulturkapitalisten, die er porträtierte: Peter Schwenkow und Bernd F. Lunkewitz  ■ Von Gerd Hartmann

Eine seltsame Veranstaltung. Auf dem Podium sitzen ein Autor, sein Verleger sowie zwei schwerreiche Herren, die ebenjener Autor zwischen zwei Pappdeckeln porträtiert hat. Der Verleger versichert – ironisch natürlich – der versammelten Journaille mehrfach ungefragt, daß die beiden schwerreichen Herren sich nicht zur Abnahme eines Festkontingents des neu erschienenen Buches verpflichtet hätten; die beiden schwerreichen Herren versichern, daß sie den Autor nicht gekauft hätten, und der, daß er sich nie hätte kaufen lassen.

Harmonie auf dem Podium, nicht nur in diesem Punkt. Auf einem Stuhl am Rand sitzt auch noch ein Kultursenator. Dem wird zwar ein nicht so gutes Verhältnis zu einem der schwerreichen Herren nachgesagt, aber das steht an diesem einträchtigen Tag nicht zur Debatte. Deshalb schweigt er.

Der Anlaß für die Kuschelstunde: Die Präsentation von Moritz Müller-Wirths Buch „Die Kulturmacher“, ein Portät zweier goldener Schmuddelkinder des Kulturbetriebs. Bernd F. Lunkewitz heißt der eine, er begann seine Karriere anno 1969 als lokaler Held der linken Szene in Kassel. Dort war er bei einer Anti-NPD- Demo angeschossen worden. Danach, mittlerweile Student in Frankfurt, gründete er die „Rote Garde Bockenheim“ und beförderte die theoretische Debatte in der KPD/ML.

1973, mit 26 Jahren, eine scharfe Kehrtwende: Aus dem Revoluzzer wird ein Immobilienmakler, und ein sehr erfolgreicher obendrein. Sein Vermögen wird mittlerweile auf einige hundert Millionen Mark geschätzt. Was ihn jedoch nicht davon abhält, bis heute Marxist zu bleiben. 1991 kaufte der Häuslehändler von der Treuhand den ebenso maroden wie renommierten Aufbau-Verlag. Heute ist er Herr über 5.000 Autorenrechte und verwendet ein Gutteil seiner Zeit für den neuen Verlegerjob, der bislang rein gar nichts einbrachte.

In der Branche wird der Quereinsteiger immer noch argwöhnisch beäugt. Da hilft auch der bekennende Marxist nichts – geldige Parvenus haben es bei der intellektuellen Elite in Deutschland schwer.

Das Schicksal äußerst unterschiedlicher Wertschätzung teilt Müller-Wirths zweiter Untersuchungsgegenstand: Peter Schwenkow. Den kann man, zumal in Berlin, getrost zu Stichworten zusammenfassen: concert-concept, Wintergarten, Waldbühne, Berlin-Ticket, ein Radiosender mit dem größenwahnsinnigen Namen jfk. Dazu Varietés und Theater in Stuttgart, Halle und Wien. Vielleicht bald das Schiller Theater (der Kultursenator schwieg, wie gesagt). 21 Firmen und einige Millionen Bares nennt der „Dienstleister“ (Selbstbeschreibung) sein eigen.

Ein Phänomen sind die beiden zweifellos. Vor allem als Eindringlinge in das Innere eines Tempelbezirks, der da Kultur heißt und von seinen GralshüterInnen – den staatlich finanzierten KunstmacherInnen und dem Feuilleton – eifersüchtig bewacht wird. Da liegt auch das Interesse des Porträtisten. Müller-Wirth outet seine Objekte als „Sentimentalitätenhändler“.

Dabei handelten sie nicht nur mit der Sentimentalität ihres Publikums, sondern auch mit der eigenen. Damit, so die These, holen sie sich ihre verlorengegangene Melancholie zurück. Und die ortet der Autor als „die aufs höchste kultivierte ,Krankheit‘ der Künstler und Intellektuellen“.

Nun ja. Dieser Überschuß an Gefühl, gepaart mit einer Eitelkeit, die zur Befriedigung mehr braucht als Geld, ist laut Müller-Wirth der lamentablen Zwischengeneration zuzuschreiben, der die beiden Protagonisten entstammen. Sogenannte „Achtundsiebziger“ seien sie, die vergessenen Jahrgänge zwischen Aufbruchseuphorie und Hedonismus. Die Argumentation ist ebenso modisch wie klappernd: Lunkewitz rechnet sich selbst den Achtundsechzigern zu, und allein die Tatsache, daß er den Sprung zur Immobilie relativ jung vollzogen hat, beweist noch lange nicht das Gegenteil.

Überhaupt, auf der analytischen Seite kommen Müller-Wirths flott geschriebene Personality-Splitter ziemlich schwachbrüstig daher. Warum die Schwenkowsche Populärkultur so überaus erfolgreich ist, durchleuchtet er ebensowenig wie die Lunkewitzsche Verlagspolitik. Auch über die verwinkelten Pfade in der Berliner Politik, die sich CDU-Mitglied Schwenkow so meisterlich zunutze macht, erfährt man nichts. Müller-Wirth bleibt ganz nahe an seinen Protagonisten, ohne auch nur ansatzweise zu psychologisieren.

Das ist ein pointiert zwischen Reportage und Essay lavierendes Lesevergnügen, mit nur gelegentlich tiefen Einblicken. Am spannendsten wird das Buch, wenn es die Macher selbst reden läßt: Was sie anläßlich eines SFB-Gesprächs über ihr Selbstverständnis und die intellektuellen Meinungsführer in Deutschland sagen, ist durchaus sprengstoffhaltig. Die Kulturkapitalisten als Prototypen und mögliche Zukunftsergänzung für den erstarrten Kulturbetrieb – darüber sollte man diskutieren.

Müller-Wirth tut das jedoch kaum. Seine Sympathie für seine Protagonisten verhehlt er trotz des ironischen Untertons dabei nie. Kein Wunder, daß bei der Präsentation eitel Sonnenschein herrschte. Nur draußen regnete es.

Moritz Müller-Wirth „Die Kulturmacher – eine Zwischengeneration auf dem Vormarsch“. Fannei und Walz Verlag Berlin, 127 Seiten, 20 DM.