■ beiseite
: Klima verbessern!

Die Regierung kommt, aber die Metropole, nach der man sich so sehnt, muß schon hier entstehen. Wie steht es um Berlin als Verlagsstandort, fragte sich neulich das SPD-nahe Forum Berlin, ein Zirkel Berliner KulturmacherInnen. Bis in die Dreißiger war Berlin neben Leipzig führend in der Buchproduktion. Nicht nur die Verlage siedelten sich aber nach dem Krieg anderswo an, auch das geistige Leben Berlins war zerschlagen. Mit der Wiedervereinigung haben nun auch die Ostberliner Verlage stark an Bedeutung eingebüßt. Lediglich der Christoph Links Verlag, Rowohlt Berlin und der Berlin Verlag sind als größere Neugründungen zu verzeichnen.

Was tun? Muß überhaupt etwas getan werden? Schnell war an diesem Abend im Künstlerhaus Bethanien die verbreitete Zwangsvorstellung vom Tisch, Berlin als Sitz der Regierung müsse auch in jeder anderen Hinsicht Hauptstadt werden. Westdeutsche Verlage mit Investitionshilfen und schönen Worten zum Umzug zu bewegen, wäre absurd. Lieber solle man sich um das geistige Klima der Stadt bemühen, dann werde sich der Rest schon fügen. So schlecht sind die Voraussetzungen nicht. Mit fünf Literaturhäusern, drei Universitäten, einem intakten Buchhandel und vielen hier lebenden SchriftstellerInnen müßte doch eigentlich etwas zusammengehen. Doch die Kommunikationsbereitschaft zwischen den AutorInnen sei hier so gering wie nirgends. Es herrsche die „Vorform einer Bürgerkriegsstimmung“, meinte einer. Grund dafür seien die nicht eingestandenen Niederlagen, die alle intellektuellen Gruppen in den letzten Jahren haben einstecken müssen: die linken Westberliner AutorInnen, die in der DDR etablierten SchriftstellerInnen wie auch die Enttäuschten aus der Bürgerrechtsbewegung. Die Stasi-Debatten und der jüngste PEN-Konflikt seien Symptome für mangelnde Vergangenheitsbewältigung. Große Schwierigkeiten haben auch die aus der DDR emigrierten AutorInnen. Ihre Versuche, die alten Kontakte wiederherzustellen, stießen bei den im Osten gebliebenen Kollegen auf eisige Ablehnung. Bevor man also das Argument der Ost-West-Drehscheibe weiter strapaziert, sollte man sie erst einmal in Bewegung setzen. Sobald die Keiferei literarischen Debatten weiche, werde Berlin auch für Verlage wieder interessant.