Die Menschen im Iran sollen sich einmischen

■ Ebrahim Yazdi, Vorsitzender der „Freiheitsbewegung“, über den Brief

taz: Was hat Sie bewogen, gerade jetzt mit einem Brief an die Öffentlichkeit zu gehen?

Ebrahim Yazdi: Zunächst einmal wird die politische und wirtschaftliche Krise unseres Landes immer akuter. Wir können da nicht einfach zuschauen. Dann sind im kommenden März die Parlamentswahlen. Wenn es eine freie wahl werden soll, müssen bestimmte Vorbereitungen getroffen werden. Da bedarf es eines Vorlaufes. Deshalb haben wir die Erklärung jetzt schon abgegeben. Sie ist zum einen ein Appell an die Menschen im Iran, daß sie nicht in ihrer Gleichgültigkeit verharren, daß sie sich nicht ins Privatleben zurückziehen. Sie sollen sich einmischen. Zum anderen ist es ein Aufruf an die Regierung, freie Wahlen zuzulassen. Die Krise kann nur gelöst werden, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen mitwirken. Das ist eine nationale Aufgabe.

Halten Sie das System der Islamischen Republik für reformierbar?

Das kann ich nicht beantworten. Ich weiß nur, daß wir uns darum bemühen müssen.

Ist der Eindruck richtig, daß die Aktivitäten ihrer „Freiheitsbewegung“ seit dem Tod von Mehdi Bazargan im Januar dieses Jahres nicht mehr so behindert werden wie zuvor?

Die Situation ist ein wenig besser geworden. Nach Bazargans Tod hat sich der Apparat etwas toleranter gezeigt. So haben viele Zeitungen Nachrufe abgedruckt und ihn ausdrücklich gewürdigt. Man hat uns sogar kondoliert. Die Trauerfeiern im ganzen Land wurden – bis auf eine Ausnahme in Zandschan – zugelassen. Bis zu einem gewissen Grad hat sich da etwas getan. Die Zeitungen drucken zwar immer noch nicht unsere Erklärungen ab, aber sie berichten ab und zu über uns.

Streben Sie an, bei den Parlamentswahlen teilzunehmen?

Das haben wir noch nicht entschieden. Es hängt auch nicht nur von uns ab. Wir müßten erst einmal zugelassen werden, bestimmte Bedingungen müßten erfüllt sein. Aber prinzipiell halten wir es für erstrebenswert, an den Wahlen teilzunehmen. Interview: Navid Kermani