Brasilien kann mehr als Berlin

■ Rechnungshöfe in anderen Ländern können Behörden für schlampige Arbeit zur Rechenschaft ziehen / Interview mit Horst Grysczyk, Chef des Berliner Rechnungshofs, über den Sinn des Jahresberichts, den er heute vorstellt

taz: Herr Grysczyk, Ihre Behörde sorgt mit dem jährlichen Prüfbericht für einen hohen Unterhaltungswert. Ergebnis: Beamte verschleudern Gelder, Verwaltungen rechnen schlampig ab. Doch außer appellieren können Sie nichts unternehmen. Ist der Landesrechnungshof eine teure und überflüssige Einrichtung?

Horst Grysczyk: Wir haben die Arbeit des Senats und der Verwaltungen zu überprüfen und darüber zu berichten. Dabei wird häufig verkannt, welche Arbeit schon bei den Prüfungen selbst geleistet wird. So können viele Fehler in den Verwaltungen beseitigt werden.

Ist das alles?

Die Aufmerksamkeit, die der Jahresbericht bei den Medien auslöst, dürfen Sie nicht unterschätzen.

Aber Tatsache bleibt doch, daß es der Behörde an Bestrafungsmöglichkeiten mangelt. Die Lage der öffentlichen Haushalte spitzt sich von Jahr zu Jahr zu. Müßten Sie da nicht einfach mehr einfordern?

Das ist eine wichtige Frage. Ich hoffe immer noch, daß wir durch unsere Kompetenz und die Qualität unserer Ratschläge zu Ergebnissen kommen. Bei weiterer Verschlechterung der Finanzsituation muß man aber darüber nachdenken, wie die Rolle der Landesrechnungshöfe gestärkt werden kann. Etwa, indem ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, vorsorglich Ausgaben zu sperren.

Vor kurzem habe ich auf einer internationalen Fachtagung mit brasilianischen Kollegen gesprochen. Dort haben die Rechnungshöfe von sich aus das Recht, Schadensersatzansprüche geltend zu machen oder Rückforderungen etwa überzahlter Beträge in Gang zu setzen.

Sie haben das Leasingmodell – die private Finanzierung öffentlicher Bauvorhaben – kritisiert. Die Finanzverwaltung würde damit gerne freigiebiger verfahren. Entsteht da nicht ein zweiter Haushalt?

Es besteht in der Tat die Gefahr, daß die Transparenz für das Parlament, dem ja die Kontrolle obliegt, verlorengeht. Hier wird der Rechnungshof alles tun, daß das Parlament auch bei Sonderfinanzierungen die Übersicht behält. Der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses hat dann ja auch dem Finanzsenator, der Leasingprojekte bis zu zwei Milliarden Mark finanzieren wollte, eine Grenze von zunächst 500 Millionen Mark gesetzt. Ich finde es gut, daß für solche neuen Modelle Grenzen gezogen werden. Zunächst muß bewiesen werden, daß sie nicht nur wirtschaftlicher für das Land sind, für das Parlament müssen sie auch kontrollierbar bleiben.

Interview: Severin Weiland