Walpurgisfeuer 1996

■ Der Hexentanz am Kollwitzplatz vom 1. Mai in der Aufarbeitung: Ein Platz-Verein soll's im nächsten Jahr richten

Gereizt begann der Montag abend im Bezirksamt Prenzlauer Berg. Bürger wetterten gegen Bürger. Die direkt am Kollwitzplatz lebenden Anwohner schimpften auf jene, die dort gefeiert hatten. „Wir haben hier jede Nacht Walpurgisnacht und wollen nur mal in Ruhe schlafen“, so die einen. „Das Betreten des Rasens soll niemals wieder verboten werden“, meinten die anderen.

Bezirksbürgermeister Manfred Dennert hatte zu der Runde geladen, und ein wirklich konstruktiver Dialog entspann sich: Das anwesende Polizeitrio betonte, daß der Einsatz in der Nacht zum 1. Mai Rechtens war. Erst habe man stundenlang geredet, jedoch ohne Erfolg. Zum Dank sei man später mit Pflastersteinen beworfen worden. Genauer gesagt: Die Beamten versuchten erneut Verständnis für ihre psychologische Streßsituation während des damaligen Tränengaseinsatzes zu erheischen.

Zudem sei es stockdunkel gewesen auf dem Platz, hieß es. Außerdem habe den zum Einsatz gekommenen Beamten bereits ein Kirchengroßbrand in den Knochen gesteckt. „Jeder hat doch eine ganz subjektive Sicht auf die Dinge“, so der Vertreter der Bereitschaftspolizei, John Schubert. Wer gesehen habe, daß „Kollegen vom Platz getragen werden mußten“, der habe nicht unbedingt darauf achten können, „ob sich in der Nähe Kinder befanden“, so Schubert.

An der subjektiven Sicht derer, die „ohne böse Absichten“ zur Feier auf den Kollwitzplatz gekommen waren und später mit Verletzungen oder Tränengasreizungen nach Hause gehen mußten, konnten derartige Erklärungen wenig rütteln. Erst recht nicht, nachdem es dem Leiter der zuständigen Polizeidirektion VII, Buchholz, entfahren war, daß er schon „den ersten revolutionären 1. Mai am Oranienplatz geführt“ habe.

Auch die subjektive Sicht des kollektiven Gremiums Bezirksamt Prenzlauer Berg, alles richtig gemacht zu haben, wollte an diesem Abend nicht wanken. Die garantiert kommenden Feiern im nächsten Jahr auf den Friedrichshainer Bunkerberg oder an den Mauerpark zu verbannen erschien Bürgermeister Dennert bar jeder Realität. Er schloß sich dem Appell einiger Anwesender an, im nächsten Jahr alles besser zu machen. Wie das geschehen soll, könne ein zu gründender Verein „Walpurgisnacht e.V.“ überlegen. Und so endete der Abend mit einer Liste, auf der sich alle eintragen konnten, die an der Vorbereitung der Feier 1996 mitwirken wollen. Viele Unterschriften kamen von den rund 100 Anwesenden nicht zusammen. Kathi Seefeld