Armes reiches Land

Im vom Bürgerkrieg zerstörten Angola sichert die Schattenwirtschaft das Überleben / Vor einem Aufschwung müssen die Minen geräumt werden  ■ Aus Luanda Kordula Doerfler

An Werktagen wimmeln die Straßen von Luanda von Menschen. Verkrüppelte Kinder verkaufen Armbanduhren aus dem Fernen Osten, Coca-Cola und Kekse, junge Männer handeln mit drahtlosen Telefonen, Anrufbeantwortern und Computern. Überall sitzen Frauen auf dem Boden und tauschen Milliarden von Kwanzas, der verfallenden Landeswährung Angolas, gegen harte US-Dollars. Abends müssen die Frauen die Dollars bei Mittelsmännern abliefern; sie selber behalten nur Pfennigbeträge.

Fast alle Geschäfte in Angola werden auf der Straße abgewickelt, denn funktionierende Läden gibt es so gut wie keine mehr. Auch in der Hauptstadt Luanda, die zwar heruntergekommen ist, aber vom Krieg verschont blieb, sind die meisten Geschäfte leer, ohne Fensterscheiben, das Mobiliar zertrümmert oder gestohlen. In der Innenstadt gibt es nur einen einzigen funktionierenden Markt in einer ausgeweideten ehemaligen Garage am Kinaxix-Platz.

Nach 20 Jahren Bürgerkrieg trägt auch der Kinaxix alle Zeichen des Verfalls. Von den Häusern im Stil sozialistischer Plattenbauten bröckeln die Fassaden. Ein unvollendetes Hochhaus an der Stirnseite des Platzes, dessen Fenster mit Holz und Ziegeln aufgefüllt sind, ist das Zuhause von Hunderten von Kriegsflüchtlingen.

Daneben, in der Garage, stapeln sich jegliche Art von Waren: Weine und Spirituosen aus aller Welt, Lebensmittel aus Frankreich, Deutschland und Südafrika, Obst und Gemüse aus der angolanischen Provinz. Wer Geld hat, kann hier alles kaufen, zu Preisen, die so hoch sind wie in Deutschland – selbst Medikamente, importiert aus der ganzen Welt.

Einen zweiten großen Markt gibt es am Rande der Stadt, den Rocco Santeiro. Er liegt auf einer riesigen freien Fläche, inmitten von meterhohen Müllbergen. Über dem Platz lastet atemberaubender Gestank, in schmutzigen Pfützen brüten Millionen von Mücken. Auch hier stapeln sich die importierten Waren. Tausende von Menschen kommen täglich auf den Rocco Santeiro, einen der größten Märkte Schwarzafrikas. Neuerdings versucht die Stadtverwaltung von Luanda, ein paar der Müllberge zu beseitigen – ein Sisyphos-Unternehmen. Der Markt ist ein gefährlicher Ort – hygienisch und sozial. Immer wieder werden Leute erschossen, erschlagen, weil sie beim Stehlen erwischt werden. Von wem? Die angolanische Polizei, die selber plündernd durch die Straßen zieht, ist nicht sehr auskunftsfreudig.

Dabei ist Angola ein reiches Land, verfügt über riesige Öl- und Diamantenvorkommen, mit denen die sozialistische Regierungspartei MPLA und die Rebellenorganisation Unita den Krieg finanzierten. Heute gibt es in Luanda noch eine Zementfabrik, die von Belgiern betrieben wird, eine Brauerei in französischer Hand und eine Schrottverarbeitung. Damit läßt sich im Krieg viel Geld verdienen.

In Angola braucht, selbst wer nicht arbeitslos ist, einen oder mehrere Nebenjobs. Korruption, Schmuggel und Tauschhandel blühen – die Schattenwirtschaft gewährleistet neben der humanitären Hilfe aus aller Welt das Überleben. Ein Polizist verdient fünf US-Dollar im Monat, der Dekan der medizinischen Fakultät knapp 20. Dennoch, berichten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, sei ein wirtschaftlicher Aufschwung zu spüren, habe es in den vergangenen Monaten einen Boom von Geschäftsgründungen gegeben. Mitten in der verfallenen Altstadt Luandas bieten ein paar moderne Bekleidungsgeschäfte Designer- Mode an, Benetton hat vor kurzem einen Laden eröffnet.

Und die Stadt ist voller neuer teurer Autos. Diesel wird von der Regierung des Öllandes so subventioniert, daß ein voller Tank soviel kostet wie ein Brötchen: 100.000 Kwanzas – ein paar Pfennige. Vor allem Jeeps mit Vierradantrieb sind beliebt – und begehrtes Objekt von Diebstählen. Herumfahren kann man damit allerdings nur innerhalb der Hauptstadt, denn fast sämtliche Straßen des Landes sind vom Krieg zerstört und mit Landminen durchsetzt.

Zehn Millionen Landminen, schätzt die UNO, wurden von beiden Seiten während des Krieges vergraben. Die ersten Truppen der Friedensmission Unavem III, die jetzt anläuft, sind deshalb vor allem damit beschäftigt, die Straßen zu entminen. „Ehe die Straßen nicht frei sind, können sich die Blauhelme nicht bewegen und wird es auch keinen Wiederaufbau der Infrastruktur geben“, sagt Andrew Toh, der Direktor der UNO-Unterorganisation World Food Program in Angola.