Fliegender Tod nun am Boden

■ Neues Luftwaffenmuseum in Gatow: Revue für Flugzeugnarren oder eine reine Militär-Show? / Kritiker: Massive Öffentlichkeitskampagne der Bundeswehr

Enttäuscht blickten sie in den grauen Himmel über dem Berliner Flughafen Gatow, die Damen und Herren von der Presse. Sie waren geladen, um die Ankunft von sechs Hubschraubern aus Appen bei Hamburg zu bestaunen. Aber Nebel im niedersächsischen Faßberg zwang die Flieger dazu, auf dem Boden zu bleiben. So fuhren die Journalisten wieder in die Redaktionen.

Als die Hubschrauber fünf Stunden später in Gatow landeten, hingen an ihren Kufen eine MiG 17, eine Fiat G 91 und ein F-104- Starfighter. Zusammengesetzt und ausgestellt werden diese Raritäten künftig mit rund 120 anderen Militärfliegern plus NVA-Beständen im Luftwaffenmuseum in Gatow. Das Museum wird am 23. September eröffnet werden, wenn es vollständig von Appen im Norden Hamburgs umgezogen ist.

In fünf Hangars mit je 800 Quadratmetern will Dieter Rogge, Leiter des Museums, zeigen, was in der deutschen Militärluftfahrt so geflogen wurde: angefangen bei einem Flugversuchsapparat von Lilienthal bis zu den Geräten der achtziger Jahre, die zum Teil noch im Einsatz sind. Jedes neu eingetroffene Flugzeug wird restauriert. Deswegen gleicht die kleinste der Hallen zur Zeit auch eher einer Flugzeugwerft als einem Museum. Tragflächen, Propellerteile und Schleudersitze liegen herum, rund zwölf Techniker warten die antiken Karosserien. „Wir müssen viel improvisieren“,sagt Torsten Winter, der zum Triebwerksmechaniker an der Phantom ausgebildet wurde. Dabei reicht es aus, daß die Luftschiffe am Boden gut aussehen, denn sonntägliche Vorführveranstaltungen über dem Grunewald wird es nicht geben.

Im benachbarten Hangar, rund 400 Meter weiter über die ausgediente Start- und Landebahn entfernt, stehen bereits zwanzig generalüberholte Militärflieger. Teilweise handelt es sich dabei nicht um die Originale, sondern um Nachbauten. So zum Beispiel bei einer alten englischen Maschine, auf deren Rumpfseite ein Charlie Chaplin aufgemalt ist. Farbe bringen die roten Nasen der MiG 23 und MiG 21 in die meist grau- grüne Riege der Militärstücke.

Ab dem 23. September geben Infotafeln Auskunft über Einsatzort und Daten eines jeden Hubschraubers und jeden Flugzeugs. Bei reiner Datenpräsentation soll es aber nicht bleiben. „Die Ausstellungsstücke werden in ihre Sozialgeschichte eingebunden. Geisteshaltung und Kultur der jeweiligen Zeit müssen herausgearbeitet werden“, beschreibt Rogge etwas merkwürdig sein Ausstellungskonzept. Bis entsprechende Texte formuliert sind, die dem Besucher die politischen Zusammenhänge erklären, könnten allerdings noch sechs Jahre vergehen, meint Rogge. Rogge und seine Exponate sind dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam, früher Heidelberg, unterstellt.

Euphorie und Vergötterung der Fliegerei im Ersten Weltkrieg, die „Nie wieder Krieg“-Haltung der Weimarer Republik sowie die Revanche-Gedanken dieser Zeit, die Militarisierung auch des privaten Lebens unter Hitler, der Glaube an die Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg und die Zerstörung durch die Bomber der Alliierten danach, all das soll neben Uniformen, Geräten und Fliegern dargestellt werden, sagt Rogge. „Und dann kommt die Frage, warum wieder Luftwaffe? Warum ziehen wir wieder Uniformen an?“ Eine Antwort will der Oberstleutnant nicht geben. Seine Aufgabe sei es, Anregungen zu geben, damit der Betrachter sich selber in Kontroversen wiederfindet, sagt der Politologe und Historiker.

Keine reine Military-Show also? „Das Ganze muß man vor dem Hintergrund sehen, daß die Bundeswehr sich seit der Wiedervereinigung massiv in Berlin breitmacht, um diese ehemals bundeswehrfreie Stadt zum Hauptaktionszentrum zu machen“, sagt Holger Peach von der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär in Berlin. „In Berlin werden viele repräsentative Einheiten stationiert, die alle für die Bundeswehr Werbung machen sollen“, sagt Peach. Schon jetzt gibt es zehn Dienststellen der Armee in Berlin, alle sind in den letzten fünf Jahren entstanden. In der Hauptstadt blasen allein zwei Musikkorps, nirgendwo sonst gibt es so viele musizierende Soldaten. „Das ist doch was Besonderes“, sagt auch Norbert Holla, Pressesprecher der Bundeswehr in Bonn. Na denn, rumtata. Nina Kaden