Dublin ignoriert Prinz Charles

Erster Besuch eines Mitglieds des britischen Königshauses in Irland seit 1911 / Die Hälfte der Polizeitruppe im Einsatz / Protestdemonstration / Zwei Anschläge im Vorfeld  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die Geschichte der Beziehungen zwischen Großbritannien und Irland sei voller Mißverständnisse, meinte Prinz Charles bei seinem ersten offiziellen Besuch in Irland, der am Mittwoch begann. Der irische Premierminister John Bruton bescheinigte ihm devot, daß seine viertägige Visite „mehr dafür getan habe, das Vermächtnis von Angst und Mißtrauen zwischen beiden Völkern zu verscheuchen, als irgendein anderes Ereignis in meinem Leben“.

Beim Empfang im Thronsaal des Dubliner Schlosses, wo vor 73 Jahren die Unabhängigkeit des irischen Freistaats beschlossen wurde, benahm sich die politische Führung Irlands, als ob man noch immer Untertan Ihrer Majestät sei. Die Sicherheitskräfte wollten trotz des IRA-Waffenstillstandes kein Risiko eingehen: Mehr als 4.000 Polizeibeamte – die Hälfte der Truppe – waren im Einsatz.

Besuche von Mitgliedern der englischen Königsfamilie sind in Irland seit jeher mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Als Georg IV. 1821 im Dubliner Hafen Howth an Land ging, war er so betrunken, daß man ihn stützen mußte. Am folgenden Tag machte sich die Presse über ihn lustig, aber die Nationalisten schenkten ihm zum Abschied einen Lorbeerkranz. Königin Viktoria reiste bei ihrer Staatsvisite im Jahr 1900 zwar in einer Kutsche durch das Land, doch ihre Gastgeber hatten statt der Pferde einen Esel eingespannt. Der letzte Staatsbesuch eines britischen Monarchen fand 1911 statt: Hunderttausende jubelten Georg V. und Queen Mary zu, während die Suffragetten britische Fahnen verbrannten und ein Porträt des Königs mit Steinen bewarfen.

In den vergangenen zwei Tagen ging es gemächlicher zu, außer den Medien ignorierten die DublinerInnen den Besuch mehr oder weniger. Vor der britischen Botschaft, wo Charles den Geburtstag seiner Mutter feierte, hatten sich fünfzig winkende Kinder aufgestellt, in der Innenstadt demonstrierten etwa 2.000 Menschen gegen den Thronfolger – darunter auch einige Stadträte der Grünen Partei, die sich von ihrem Parteikollegen, Dublins Bürgermeister John Gormley, als „Starrköpfe“ beschimpfen lassen mußten.

Zu den „Starrköpfen“ gehörten auch die Angehörigen jener 14 Menschen, die 1972 im nordirischen Derry am „Bloody Sunday“ von britischen Fallschirmjägern ermordet worden waren. Oberkommandant dieser Einheit ist immer noch Prinz Charles. Im August 1979 rächte sich die IRA an ihm und sprengte seinen Onkel Graf Louis Mountbatten, den letzten Vizekönig von Indien, an der irischen Westküste in die Luft. Am Dienstag gab es einen Anschlag auf den ehemaligen irischen Wohnsitz des Grafen, und in einem Dubliner Buchladen explodierte eine Brandbombe.

Aufgrund dieser Verbindungen mit der jüngeren irischen Geschichte, wurde Charles' Besuch von vielen als Geste der Versöhnung zwischen protestantischer und katholischer Tradition interpretiert. Davon könne jedoch keine Rede sein, meint der Dubliner Journalist Fintan O'Toole: Charles wird von Nordirlands Unionisten keineswegs als „Bewahrer des Glaubens“ angesehen, was offiziell seine Rolle wäre, sondern als warnendes Beispiel dafür, daß selbst die britischste aller Institutionen nicht gegen Skandale und Veränderungen gefeit ist.