PreussenElektra legt AKW Würgassen still

■ NRW künftig ohne Atomkraft / Zweitältester Leistungsreaktor der Republik wegen Rissen aus dem Verkehr gezogen / Keine Entscheidung über Atomkraft

Hannover (taz) – Das endgültige Aus für das AKW Würgassen hat gestern der Stromkonzern PreussenElektra verkündet. Das 1971 in Betrieb genommene AKW Würgassen werde aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt, teilte das hannoversche Energieversorgungsunternehmen mit. Der atomrechtliche Antrag auf Stillegung der Anlage werde in Kürze beim zuständigen NRW-Wirtschaftsminister gestellt.

Nach Angaben von PreussenElektra waren für den Stillegungsbeschluß allein wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend, eine geänderte Haltung des Unternehmens zur Kernenergie komme darin nicht zum Ausdruck. Auf mindestens 400 Millionen Mark bezifferte PreussenElektra die Kosten der Nachrüst- und Modernisierungsmaßnahmen, die vor einem Wiederanfahren des Kraftwerkes hätten investiert werden müssen. Der Reaktor hatte beim Bau nur 700 Millionen Mark gekostet. Allein Kosten von mindestens 200 Millionen Mark hätte nach Angaben des Stromkonzerns die Beseitigung der Risse am Kernmantel des zweitältesten kommerziellen Kraftwerkes in der BRD verusacht. Im Sommer 1994 waren im Inneren des Reaktors meterlange Risse an sicherheitssensiblen Stahlteilen entdeckt worden.

Noch einmal die gleiche Summe wäre nach Angaben des Betreibers für weitere notwendige Modernisierungmaßnahmen angefallen. Allein für den Austausch des Kernmantels hätte das Atomkraftwerk mindestens zwei Jahre stillstehen müssen.

Der Druckwasserreaktor in Würgassen an der Weser ist im Jahre 1971 ans Netz gegangen. Schon einmal, Anfang der achtziger Jahre, war der Reaktor umfangreich nachgerüstet worden. 400 Millionen Mark kostete damals der Austausch praktisch des gesamten Rohrleitungsystems des Kraftwerks. Genau diese ausgetauschten Rohre waren im vergangenen Jahr wieder als rissig identifiziert worden. Sie waren aus austenitischem Stahl gefertigt, der von Atomexperten der Industrie Anfang der achtziger Jahre als besonders beständig empfohlen worden war.

Schon vorher hatte der Reaktor durch gravierende Störfälle von sich reden gemacht. Im Jahre 1988 stellte ein Kasseler Arzt in einer Studie schließlich eine erhöhte Leukämierate in der Umgebung des Atomkraftwerkes fest.

PreussenElektra betonte gestern, das nach dem Abschalten des Altreaktors keineswegs die Lichter ausgehen werden. Die mit der Stillegung von Würgassen entfallende Stromversorgung könne von vorhandenen Kraftwerken ersetzt werden, teilt der Energieversorger mit. Jürgen Voges