■ Tour d'Europe
: „Ariane“ hilft

Die englische Zeitung The Sunday Times hat wieder mal Werbung der besonderen Art für ein Programm der Europäischen Union gemacht. Die EU, so schrieb das Blatt, werfe 50 Millionen Mark für Literatur-Übersetzungen zum Fenster hinaus, bloß damit auch „irische Intellektuelle sich an den obskuren Gedichten eines marxistischen Dissidenten aus Istanbul erfreuen können“. In Brüssel trafen daraufhin haufenweise Anfragen von Verlegern ein, wie man bitteschön an dieses Geld käme.

Leider hat die Sunday Times etwas übertrieben. Das „Ariane“-Programm zur Förderung von literarischen Übersetzungen ist der EU voraussichtlich nur rund zwei Millionen Mark wert – und selbst die werden verteilt auf die Jahre 1996 bis 2000. Die letzte Entscheidung liegt bei den Kulturministern der 15 Mitgliedsländer. So wie es aussieht, werden sie „Ariane“ finanziell und inhaltlich so ähnlich ausgestalten wie das Pilotprogramm, das von 1990 bis 1994 Zuschüsse für Übersetzungen von ingesamt rund 350 Werken zahlte.

Mit den zwei Mio. Mark wurden etwa zur Hälfte Autoren aus sogenannten kleineren Sprachen wie Griechisch oder Dänisch in andere Sprachen übersetzt, um sie einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Dazu zählen auch Minderheiten- und Regionalsprachen wie Katalanisch oder Sorbisch. Die andere Hälfte ging in die Übertragung von Werken deutscher, englischer und französischer Autoren ins Portugiesische, Irische oder Schwedische. Darunter waren neben einer Reihe unbekannterer Schriftsteller auch illustre Namen wie Günter Grass, Elfriede Jelinek und Hans-Magnus Enzensberger.

Künftig soll der Schwerpunkt deutlicher als bisher bei der Übersetzung aus den Minderheitensprachen liegen. Die Auswahl trifft eine Jury, deren Mitglieder von den 15 Regierungen vorgeschlagen und von der Europäischen Kommission ausgewählt werden. Sie bleibt fünf Jahre lang so geheim, daß selbst die EU-Regierungen erst im nachhinein erfahren, wen die Kommission letztlich ernannt hat. Eine Vorsichtsmaßnahme, damit die Lobbyisten der Verlage die Juroren in Ruhe lassen und ihnen nicht andauernd kleine Geschenke vor die Tür stellen.

Gemessen am kargen Budget ist „Ariane“ ein ziemlich ehrgeiziges Vorhaben. Aber alle Versuche der kleineren EU-Länder, in Brüssel mehr Geld loszueisen, scheiterten am Widerstand der britischen Regierung, die das Programm am liebsten ganz streichen würde. Nach britischer Vorstellung soll der Markt entscheiden, welche Bücher übersetzt werden und welche nicht, EU-Zuschüsse förderten nur die Mehrsprachigkeit von Ladenhütern. Dabei hat die Kommission bereits eine Klausel eingebaut, die genau das verhindern soll. Übersetzungshilfen bekommen nur solche Werke, die bereits in mindestens zwei Sprachen vorliegen – Bücher also, bei denen es die Verlage schon einmal lohnend fanden, sie zu übersetzen. Alois Berger