Niveausenkungen

■ betr.: „Und die Ostfriesen singen doch“, taz vom 18. 5. 95

Wenn einer eine „sentimentale Reise“ tut, verspürt er natürlich den Drang, was zu erzählen. Auch Helmut Höge kann leider nicht an sich halten. Das Ergebnis ist eine leicht herablassende, platte Schilderung des kulturellen Lebens in der Provinz.

Am Filmfest, dem eigentlichen Grund der Reise, nölt der Autor ein wenig herum, ohne zuviel Information zu verbreiten. „Funny Bones“, den Gewinnerfilm des Festivals, einen der witzigsten und anrührendsten Filme, die in den letzten Jahren zu sehen waren, erledigt er ohne große Begründung mit dem Hinweis, daß er aus dem „Amüsierkonzern Walt Disney“ stammt.

Nur zwei Sätze bringen echte Neuigkeiten. Höge hat durch einen offensichtlichen Insider erfahren, daß in Emden die 68er Gymnasiallehrer „mehr und mehr dazu neigen, mit ihrem Niveau runterzugehen und sich dafür dem Hausbau und dem Windsurfen zu widmen. Dafür (sic!) gibt es keine Sammelunterkünfte für Rußlanddeutsche und Asylbewerber; sie sind fast alle in normalen Wohnungen untergebracht.“

Was will Höge uns sagen? Schafft drei, vier, viele Niveausenkungen, damit alle Asylbewerber angemessen leben können? Wie weit müssen wir Lehrer unser Niveau senken, damit alle Sammelunterkünfte verschwinden? Darf man auch surfen, ohne sein Niveau zu senken? Was soll man den Kollegen raten, die an der Hauptschule unterrichten, wo angeblich sowieso kein Niveau vorhanden ist?

So viele Berichte, so viele Fragen. Falls Höge noch einmal von Wehmut ergriffen wird, sollte er auf 'ne Kaffeefahrt geschickt werden. Norbert große Klönne, Norden