Fonds für Dorf-Telefone

■ Die Konkurrenten der Telekom sollen die Versorgung des flachen Landes mitbezahlen / Bündnisgrüne fordern Ausschluß der Energieversorger

Bonn (taz/dpa/rtr) – Unternehmen der Telekom-Branche, die nach der Freigabe des Monopols 1998 mehr als 25 Prozent des Marktes beherrschen, müssen ihre Dienste flächendeckend anbieten. So sieht es der „Diskussions-Gesetzentwurf“ der Bundesregierung zu den Wettbewerbsregeln nach Abschaffung der Postmonopole vor, den Postminister Wolfgang Bötsch gestern in Bonn vorgestellt hat. Weil aber die Versorgung von EinsiedlerInnen, Bauern und DorfbewohnerInnen nicht lukrativ ist, bekommen die Vollanbieter Geld aus einem Fonds. Den sollen all die Marktteilnehmer füttern, die mehr als fünf Prozent Marktanteil haben.

Dieser Fonds garantiere der Telekom oder möglichen anderen Marktführern jedoch keinen Verlustausgleich, fügte Bötsch gleich an. Die Beweislast liege bei den Großanbietern. Im Klartext: Die Telekom als einzige Anwärterin auf einen Anteil über 25 Prozent muß ab 1998 ihren Konkurrenten die Bücher zeigen – oder bekommt kein Geld für die Versorgung der Landbevölkerung.

Wie sich Bötsch die Finanzierung tatsächlich vorstellt, hat er durch die im letzten Jahr von seinem Ministerium verabschiedete Tarifstrukturreform bereits gezeigt. Ab 1996 müssen die Leute bei Ortsgesprächen entweder doppelt so schnell sprechen oder doppelt so viel bezahlen. In Spitzenzeiten wird eine Einheit sogar von heute acht auf gut zwei Minuten verkürzt. „Das ist unsozial“, moniert Ingo Ruhmann, Mitarbeiter von der Grünenfraktion im Bundestag. Die Telekom wolle da, wo sie auch künftig eine Monopolstellung innehaben wird, kräftig abkassieren. Mit dem Geld werde der in Zukunft umkämpfte Ferngesprächssektor subventioniert. „Davon profitieren in erster Linie große Firmen, während gerade die ärmere Bevölkerung vorwiegend im Ortsnetz telefoniert“, so Ruhmann. Er prognostiziert, daß das Preisniveau im Nahbereich auf das der Mobilfunkbetreiber klettern wird.

Der CSU-Minister wies gestern mit seinem Vorschlag die SPD zurück, die alle Anbieter auf ein flächendeckendes Netz verpflichten möchte. „Das hätte die Alleinanbieterstellung der Telekom zur Folge. Denn: Welcher Lizenznehmer würde das Telekom-Netz kopieren?“ argumentierte Bötsch. Dem geplanten Telekommunikationsgesetz, das das Kabinett im Dezember verabschieden will, muß auch der Bundesrat zustimmen. Und dort haben die SPD- Länder die Mehrheit.

Bötsch will die Zahl möglicher Lizenznehmer nicht begrenzen. Die Verwaltung sei in der Vergangenheit regelmäßig überfordert gewesen, wenn sie den Markt mit behördlichen Eingriffen gestalten wollte, glaubt Bötsch. Anfang 1997 will er die Genehmigungen vergeben. Die Kommunen will er verpflichten, allen Anbietern kostenlosen Durchgang für ihre Kabel zu gewähren. Das wird viele Kommunen verärgern: In mehreren Orten wurden nämlich schon Gesellschaften gegründet, die die bereits vorhandenen Kabel der Stadtwerke oder anderer städtischer Behörden vermarkten und so die leeren Stadtsäckel ein wenig auffüllen sollen.

Nach dem bisher geltenden Gesetz soll der von Bund und Ländern besetzte Postregulierungsrat, der erst zu Beginn des Jahres seine Arbeit aufgenommen hat, schon 1998 wieder von der Bildfläche verschwinden. Bötsch hält offenbar an diesem Plan fest, will aber den Markt dennoch nicht völlig sich selbst überlassen. Eine unabhängige Regulierungsbehörde des Bundes soll die Einhaltung der Verträge und Gesetze kontrollieren und auch Sanktionen verhängen können. Ein weiterer Streitpunkt bei der sogenannten Postreform III ist die Frage, ob jeder finanzstarke Betrieb einsteigen darf oder ob insbesondere die Energieversorger ausgeschlossen werden sollen. Das fordern die Bündnisgrünen. „Wir wollen keine Liberalisierung, die den monopolistischen Teufel Telekom durch den monopolistischen Beelzebub Energieversorger ersetzt“, sagt der Bundestagsabgeordnete Manuel Kiper. Die Energieversorger mißbrauchten ihre Monopole auf dem Strommarkt schon heute, wie sich beim Stromeinspeisungsgesetz wieder gezeigt habe. Mittlerweile hätten sie sich auch einen entscheidenden Teil des Entsorgungsmarkts unter den Nagel gerissen. Ein Überschwappen dieser Entwicklung auf den Telekommarkt wollen die Bündnisgrünen unbedingt verhindern.

Aber gerade die Energieversorger haben hier bereits gut vorgesorgt und dürfen sich auch der Unterstützung von CDU/CSU, FDP und SPD sicher sein. VEBA, Viag und RWE verfügen bereits heute über leistungsfähige Kommunikationseinrichtungen und haben außerdem internationale Allianzen geschlossen, um beim Start 1998 möglichst gut dazustehen. Außerdem engagieren sich im Vorfeld der Marktliberalisierung Mannesmann und Thyssen stark. Eines aber steht nicht nur für Telekom- Sprecher Jürgen Kindervater fest: „Es gibt viele Leichen und wenig Überlebende.“ Annette Jensen