Antennenknick?

Vor der für Silvio Berlusconi existentiellen Volksbefragung stehen Käufer angeblich Schlange  ■ Aus Rom Werner Raith

Vor zwei Monaten noch war Medienzar Berlusconi ganz ruhig: Umfrageergebnisse zeigten einen deutlichen Vorsprung der Neinstimmen zu den vier Referenden über die Zukunft des Fernsehens, die in Italien zur Abstimmung stehen. Doch dann kamen die Regional- und Kommunalwahlen, die unversehens eines erwiesen: nämlich, daß Meinungsumfragen in Italien absolut nichts bringen, im Gegenteil – kein Demoskop hatte den Wahlausgang auch nur annähernd richtig vorausgesagt. Seither ist Berlusconi höchst nervös.

Worum geht es? Italien ist am kommenden Sonntag zur Antwort auf insgesamt zwölf Volksbegehren aufgerufen, und vier davon betreffen unmittelbar den Mediensektor: Eines zielt darauf ab, Privatpersonen und -firmen nicht mehr wie bisher drei, sondern nur noch einen landesweit ausstrahlenden Kanal zuzugestehen. Berlusconi besitzt derzeit offiziell drei und hat, nach Ansicht der gegen ihn ermittelnden Mailänder Staatsanwaltschaft, darüber hinaus zu Unrecht eine ansehnliche Beteiligung am Pay-TV-Sender Telepiu. Ein anderes Referendum will die Unterbrechung der Spielfilme auf einen einzigen Werbeblock (statt jetzt drei bis fünf) reduzieren.

Das dritte Referendum stellt auf eine Beschränkung der Tätigkeit von Vermarktungsagenturen für TV-Spots ab: danach dürfte künftig eine Agentur nicht für mehr als drei Senderketten Spots einholen – auch dies eine Bedrohung für Berlusconi, gehört ihm doch mit Abstand die größte Werbefirma Italiens, Publitalia. Ein vierter Vorschlag betrifft nicht Berlusconi persönlich, wohl aber die Zukunft seines einzigen Konkurrenten, der öffentlich-rechtlichen RAI. Darf sie voll privatisiert werden, oder soll sie zumindest mehrheitlich in der öffentlichen Hand bleiben?

Die Kampagne für die Ja- und Neinstimmen wurde von Beginn an stark angeheizt durch eine erst vor drei Monaten erfundene „Gleichbehandlungsklausel“ für alle politischen Meinungen in Wahlkampfzeiten. Die Sender Berlusconis aber weigern sich bis heute standhaft, Spots zu senden, die gegen ihr Interesse sind.

Für Außenstehende ist nur schwer zu verstehen, warum die Debatte so hitzig geführt wird, denn tatsächlich sind mindestens zwei Referenden im Grunde überflüssig. Das über die Maximalbeteiligung ist durch ein Urteil des Verfassungsgerichts längst überholt – darin ist die Höchstzahl eines landesweiten Kanals bereits festgeschrieben; Berlusconi muß auch im Falle eines Sieges der Neinstimmen zwei Sender verkaufen. Oder er muß zumindest hinnehmen, daß wesentlich mehr als die derzeit eingerichteten zwölf landesweiten Sendelizenzen erteilt werden, um sein Gewicht entsprechend zu reduzieren.

Und die RAI hat durch verschiedene höchstrichterliche Urteile eine Art Verfassungsrang erhalten. Als „neutraler“ Informationskanal muß sie erhalten bleiben, wenn auch möglicherweise nicht mehr mit drei Vollprogrammen.

Doch Berlusconi braucht zumindest einen Abstimmungserfolg, um sein in allen Wahlen seit vorigem Herbst stark angeschlagenes Siegerimage wiederaufzupolieren und seine Führungsrolle im Rechtskartell zu erneuern. Bislang war er damit erfolglos: So versuchte Berlusconi, den Verdacht, er habe über seinen Einstieg in die Politik nur sein malades Medienimperium sanieren wollen, durch eine Kaufofferte des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch zu konterkarieren. Doch die von Berlusconi genannte Summe von weit über 5 Milliarden Mark wurde von Murdoch sofort kategorisch dementiert. Auch ein Deal mit angeblich Schlange stehenden Ölprinzen ist keineswegs unter Dach und Fach. Immerhin will der saudiarabische Prinz El Walid ben Talal Abdel Asis bereits eine „Grundübereinkunft“ über seine Beteiligung (2,9 Milliarden Mark) abgeschlossen haben. Walid besitzt 30 Prozent von Arab Radio Television (ART). Die in Italien sitzende Gruppe kontrolliert fünf Satellitensender, die Programme in arabischer Sprache ausstrahlen. Walid kündigte an, daß seine Gruppe demnächst 200 bis 300 Millionen Dollar bereitstellen werde, um bis Ende 1996 fünf weitere TV-Sender zu kaufen.

Hört man sich die Stimmung im Land an, ist der Ausgang der Volksbefragung völlig offen. Mehrheitlich hat sich die Meinung durchgesetzt, die Referenden seien vor allem ein Manöver, Silvio Berlusconi in den Ruin zu treiben. Dies könnte auch viele ItalienerInnen, die ihn eigentlich nicht mögen, zur Ablehnung der Ansinnen bringen.

Andererseits haben sich inzwischen auch innerhalb der Rechten viele Anhänger Berlusconis von ihm abgewandt, weil sie nicht verstehen, warum der Mann denn nicht endlich eine klare Entscheidung trifft – Politiker oder Medienzar.