Naturferne Struktur deutschen Waldes

■ betr.: „Leise raspeln die Killer am Holz“, taz vom 29. 5. 95

Killerbakterien, Killerviren und nun die Killerkäfer – und weil's der deutsche Wald ist, dem der Garaus gemacht werden soll, poltert die taz ganz national munter drauf los.

Was sich da streckenweise liest wie ein Bericht der Forstindustrie, läßt die naturferne Struktur des deutschen Waldes völlig außer acht. Wald ist eigentlich ein Ausdruck für an Flora und Fauna arten- und ökotopreiche Baummischkulturen. Was wir heute besonders in Norddeutschland vorfinden, sind nicht die natürlich vorkommenden Buchen-Kiefern-Eichen-Birkenmischwälder (je nach Standort), sondern künstliche Fichtenmonokulturen, die nur aus kurzsichtigen, alles andere als nachhaltigen wirtschaftlichen Gründen in Reih' und Glied und einer Altersklasse angebaut werden.

Durch Entwässerung, Düngung und Kalkung, Pestizideinsatz und dem Schadstoffeintrag aus der Luft ist der Wald zu einer intensiven Forstwirtschaft mit Kahlschlagerntemethode degradiert. 76 Prozent der gefährdeten Säugetiere, 42 Prozent der gefährdeten Vögel und über 50 Prozent der gefährdeten Käfer(!) sind Waldtiere, die ihres Lebensraumes beraubt worden sind.

Was im letzten Satz leise anklingt, ist die bedrückende Tatsache. Natürlich ist der Forst immens gefährdet, aber eben aus natürlichen Gründen. Eine nicht heimische und vor allem nicht standortgerechte Baumart in dieser Anbauart, ein Baumbestand, der nur aus einem Alter besteht und keinen Tot- und Altholzanteil besitzt, ist langfristig einfach nicht überlebensfähig. Das ist die Voraussetzung für solche reißerischen Sprüche, wie die „verheerenden Spuren der Zerstörung“ durch die Borkenkäfer, die (wie übrigens alles in natürlichen beziehungsweise naturnahen Zuständen) normalerweise im Gleichgewicht mit der Natur stehen. Solche sogenannten Katastrophenereignisse, wie ein „Schädlings“befall, ist im Wald oft eine ökologische Notwendigkeit, um den Wald natürlich zu verjüngen.

Es ist zu hoffen, daß die „Killerkäfer“ ihre Mission erfolgreich ausführen („natürlich sozialverträglich“), dem tödlichen Pestizideinsatz widerstehen, die Forstmonokulturen vernichten und wieder einem naturnahen, standortgerechten und mit heimischen Bäumen ausgestattetem Mischwald Platz machen. Langfristig ist er durch eine nachhaltige Nutzungsweise, wie Plenterwirtschaft oder Schirmschlag, auch ökonomisch dem jetzigen anfälligem Zustand weit überlegen. Marcus Wewer, Kiel