"Sanitäter sichern Kampfeinsatz"

■ Kerstin Müller, Fraktionssprecherin von Bündnis 90/ Die Grünen, über die Bundeswehrhilfe für die Eingreiftruppe in Bosnien

taz: Der Verteidigungsminister Volker Rühe sieht sich im Konsens mit Teilen der Grünen, was einen deutschen Einsatz in Ex-Jugoslawien angeht. Macht Ihnen das nicht Sorgen?

Kerstin Müller: Falls ein solcher Konsens bestünde, hätte ich große Sorgen. Ich werde im Bundestag jedenfalls der Entsendung deutscher Soldaten und Kampfflugzeuge nach Ex-Jugoslawien nicht zustimmen. Die Bundesregierung versucht seit drei Jahren, den Boden für die Beteiligung der Bundeswehr an militärischen Einsätzen zu bereiten. Sie will die Opposition nun mit in die Verantwortung für die Folgen einer von Anfang an verfehlten Politik nehmen. Ich hoffe, da machen die Grünen nicht mit.

Sie sind auch gegen den Einsatz deutscher Transportmaschinen und Sanitätssoldaten?

Ja. Auch die Sanitäter sind dazu da, den Kampfeinsatz abzusichern, und sie legitimieren ihn.

Was kritisieren Sie an der Eingreiftruppe der Briten und Franzosen?

Ich halte nicht für richtig, was Briten und Franzosen jetzt planen. Den Blauhelmen in Bosnien war bislang nur Selbstverteidigung erlaubt. Jetzt werden Kampfverbände zusammengestellt, die den Blauhelmcharakter der Mission verändern. Auf der einen Seite Blauhelme, die zu strikter Neutralität verpflichtet sind, auf der anderen Seite Kampfeinsätze, die dazu führen, daß die UN-Soldaten Kriegspartei werden – das geht nicht zusammen.

Verweigern Sie damit nicht den hilflosen UN-Soldaten notwendigen Schutz?

Es ist genau umgekehrt. Der jetzt geplante Einsatz gefährdet das Leben der Blauhelme viel stärker. Die Geiselnahme erfolgte doch erst nach den Luftangriffen.

Was schlagen Sie vor?

Wir sind für ein Verbleiben der Blauhelme unter dem klaren Auftrag der völligen Neutralität. Das Problem ist, daß man diesen Auftrag von Anfang an nur halbherzig vollzogen hat. Niemand, der dort jetzt intervenieren will, hat ein Angebot für eine Nachkriegsordnung. Niemand diskutiert über politische und wirtschaftliche Mittel, vom Embargo bis hin zu einem Plan zum Wiederaufbau, die notwendig sind, damit es dort zum Frieden kommt.

Was wäre die Rolle Deutschlands?

Die Bundesregierung sollte innerhalb der EU auf eine politische Lösung hinwirken. Die Interessen der einzelnen Länder müssen zurückgestellt werden, es muß gemeinsam mit Rußland eine politische Lösung für Südosteuropa erarbeitet werden. Erst dann kann man darüber sprechen, wie sie durchzusetzen ist. Aber sich nun peu a peu militärisch in diesen Prozeß hineinziehen zu lassen, ohne Perspektive, das ist sehr zynisch gegenüber den Menschen, die dort leben.

Warum ist die Abstimmung der Fraktion für die Partei so wichtig?

Es geht um die Glaubwürdigkeit und Identität der Grünen. Ich bin für eine ganz nüchterne Diskussion. Es hilft nichts, immer nur moralische Keulen zu schwingen. In dieser zentralen Frage kann die Fraktion keine Definitionsmacht haben. Sie muß sie an die Partei zurückgeben.

Sie fürchten, die Bosnienfrage ist für manche in der Fraktion nur ein Vorwand zur Durchsetzung weitergehender Ziele?

Es geht perspektivisch darum, welche eigenständigen Positionen die Grünen in der Außenpolitik im Hinblick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung im Jahr 1998 einnehmen wollen. Hier ist Machtopportunismus völlig fehl am Platz. Wer Kampfeinsätzen zustimmen will, der sollte daher ehrlicherweise vorher mit der Partei über die generellen Linien unserer Außenpolitik diskutieren.

Ist dafür nicht die Zeit zu knapp?

Es gibt eine klare Parteibeschlußlage, die solche Einsätze ausschließt. Daß Abgeordnete das mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, gestehe ich jedem zu. Aber dann muß man sich eben der Stimme enthalten. Interview: Hans Monath