Det Oscarchen

■ Küßchen und Verlegenheiten im Friedrichstadtpalast: Der Bundesfilmpreis ging an Wortmanns „Der bewegte Mann“

In Iris Berbens Händen wußte man die Sache zunächst gern: Die Frau hat Dekolleté und Witz, wer sonst sollte durch eine von Hellmuth Karasek konzipierte Revue- Nummer mit dem Titel „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ führen, die der Zeremonie der Oscar-Verleihung nachempfunden ist? „Nachempfunden“ trifft es in diesem Fall doch recht genau; die Verleihung des Bundesfilmpreises sollte an die großen Kinogefühle angedockt werden, ließ diese aber nur noch als Zitate auftauchen. Die Tatsache, daß die Chose erstmals direkt und zur Primetime übertragen wurde, weckte alle Verlegenheiten des Deutschen Films gegenüber seinem Mäzen, dem Fernsehen, zum Veitstanz. Nicht so lustig: Irgendwann wurde beispielsweise ein Zusammenschnitt aus 99 Jahren Kuß-Szenen im Kino von einem Auftritt unseres Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen gekrönt, der auf die Bühne ging, um einen Kuß mit Iris Berben auszutauschen. Von dem Kuß soll nicht weiter die Rede sein, aber mußte die Kamera wirklich anschließend auf den roten Striemen halten, der die Wange des Regierenden auch während seiner launigen Ausführungen zum Verhältnis Berlin- Brandenburg (demnächst zu fusionieren) via Babelsberg zierte: Es wurde visuell und dramaturgisch quasi der Eindruck erweckt, diese Ehe sei eine Liebesheirat, die irgendwas mit Kino zu tun habe ... Oh, oh, oh.

Richtig war natürlich, daß man im Publikum Kati Witt, Dani Levy oder meinetwegen auch Thekla Carola Wied sitzen sah. So soll es sein, und auch der Veranstaltungsort Friedrichstadtpalast war in Ordnung: Auf diese Weise fand das Geraune um 100 Jahre Kino seinen Platz: In diesem Palast kommt es wieder da an, wo es war. Also was nun?

Eine Goldene Schale wurde in diesem Jahr nicht vergeben, dafür aber ein Filmband in Gold, von Innenminister Manfred Kanther höchstselbst verliehen, an Sönke Wortmann „Der bewegte Mann“, eine Transen- und Hetero-Tragikomödie mit gelindem Ausgang ... das bedeutet eine zweckgebundene Prämie in Höhe von 900.000 Mark – eine Summe, die trotz erheblicher Engpässe aufgestockt worden ist. An Joachim Król, einen der Hauptdarsteller in „Der bewegte Mann“, ging der Darstellerpreis für Herren, während Maria Schrader für ihre Schauspielerei in „Keiner liebt mich“, „Burning Life“ und „Einer meiner ältesten Freunde“ ein Filmband in Gold bekam.

Ex equo wurden das Silberne Filmband von Günter Lamprecht und Hannelore Elsner an „Keiner liebt mich“, aber überraschenderweise auch an „Das Verhängnis“ vergeben, von dem Ortskundige berichten, er verhandele Vorstadthaßgefühle.

Als die wackere Berben dann Bernd Eichinger ankündigte und statt dessen Regina Ziegler rothaarig, pompadourhaft und leicht hektisch auf die Bühne trat, erklärte sie: „Also, falls das noch nicht klar geworden sein sollte: Ich bin nicht Bernd Eichinger!“

Glucksendes Lachen von den Paria-Journalisten, für die einige Plätze in der ersten Reihe vor den Flur-Televisoren frei waren. Wir offenbar auch nicht. Mariam Niroumand