■ Das Portrait
: Der Staatssänger

Pablo Milanés Foto: taz-Archiv

„Armselig ist der Sänger / der nicht seine Gitarre riskiert / und nicht sich selbst“, singt Pablo Milanés in einem seiner bekanntesten Lieder („Pobre del Cantor“). Seit bald einem Vierteljahrhundert ist der sanfte Sänger aus Havanna die musikalische Galionsfigur der kubanischen Revolution. Und es ist lange her, daß er seine Gitarre riskiert hat. Pablo Milanés ist auf der sozialistischen Karibikinsel längst zu Ämtern und Funktion gekommen. Über seinen musikalischen Ruhm hinaus wurde er zum Inbegriff 150prozentiger politischer Treue. Daß ausgerechnet der 52jährige Milanés jetzt den Kulturgewaltigen der Insel den Fehdehandschuh hinwirft, ist in Kuba eine Sensation.

Anfang der siebziger Jahre hatte Pablo Milanés die Kehrseite der Revolution am eigenen Leib zu spüren bekommen. Als Opfer der staatlichen Hatz auf Homosexuelle wurde Milanés in die berüchtigten Umerziehungslager (UMAP) gesteckt. Danach kam er, wie so viele „Problemfälle“, im immer etwas freizügigeren Filminstitut unter. Es war dort, wo er zusammen mit Silvio Rodriguez und dem Komponisten Leo Brouwer das „Neue kubanische Lied“ begründete. Diese Nueva Trova Cubana erneuerte die lateinamerikanische Musik – und wurde zum weltweiten Exportschlager der Revolution.

Pablo Milanés wurde zum internationalen Star, und in Kuba wurde er mehr und mehr zum offiziellen Staatssänger. Zwar sprach er sich für mehr Schwung bei den Wirtschaftsreformen aus und förderte aktiv die neue Generation kubanischer Liedermacher und Rocksänger, die mit ihren kritischen Texten große Probleme im Staate Fidel Castros haben. Dennoch blieb Milanés die Loyalität in Person. In Interviews lobpreiste er Fidel regelmäßig bis hin zu fast göttlicher Verehrung („ein höherer Mensch“), und er bejubelte die zügige Niederschlagung der Unruhen in Havanna vor einem Jahr als Heldentat des revolutionären Volkes.

Vor zwei Jahren ließ sich der Liedermacher in das Einparteienparlament wählen. Gleichzeitig gründete er die „Stiftung Pablo Milanés“ als erste, ihren Statuten nach explizit unabhängige „Nicht- Regierungs-Organisation“. Sie organisierte Kulturprojekte, für die sie in kürzester Zeit Millionenhilfen ausländischer Geldgeber fand. Aber bei allem Erfolg mußte Pablo Milanés erkennen, daß ihre Unabhängigkeit nur auf dem Papier stand. Mit bemerkenswerter Konsequenz hat er seine Stiftung jetzt aufgelöst. Bert Hoffmann