■ Kubas Staat verteidigt sein Machtmonopol
: Konflikt mit Modellcharakter

Ein Gespenst geht um in Kubas Machtapparat: das Gespenst nicht eines plötzlichen Umsturzes, sondern der schleichenden Erosion seiner Macht. Der Staat hat kein Geld mehr zu verteilen – und die, die ohne die Hilfe von Vater Staat über die Runden und an Dollars kommen, entwickeln ein neues Selbstbewußtsein.

Kuba hat einen Konflikt erlebt, der Modellcharakter hat. Sicher, es ging „nur“ um eine Kulturstiftung. Aber damit ging es um nicht weniger als das Machtmonopol des kubanischen Staates. Die Kultur stellte dabei – wieder einmal – das Schlachtfeld, auf dem die großen Konflikte des Landes gleichsam en miniature ausgetragen wurden. Und sie verlor. Es war ein Konflikt der neuen Zeit. Denn bis vor zwei Jahren gab es auf der Insel keine Institution, die auch nur den Anspruch auf Unabhängigkeit erheben konnte. Aber die Wirtschaftskrise zwang zu Zugeständnissen: Weil Kubas Staat Devisen braucht, braucht er auch regierungsunabhängige Organisationen (NGOs). Ohne Entwicklungshilfe-Busineß keine Dollars.

Die „Stiftung Pablo Milanés“ war hier Vorbild – und entsprechend weist auch ihre Schließung weit über den Fall selbst hinaus. Sie war die erste offiziell zugelassene Organisation in Kuba, der in ihrer Satzung „Unabhängikeit vom Staat“ garantiert wird. Schon bei der Gründung erklärte Pablo Milanés, daß sie keineswegs eine Konkurrenz zum Kulturministerium sein soll. Doch genau an dieser Crux ist sie jetzt gescheitert. Wo der Staat das Monopol für sich beansprucht, ist jede unabhängige Organisaton eine Konkurrenz, sobald sie ihre Unabhängigkeit ernst nimmt. Es spricht für Milanés, daß er es offensichtlich getan hat. Aber hier geht es nicht nur um das Problem eines betonköpfigen Kulturministers. Der Fall rührt an die politischen Funktionsmechanismen in Kuba.

Und dieses Problem beschränkt sich keineswegs nur auf die Kultur oder die anderen NGOs, die im Gefolge der „Stiftung Pablo Milanés“ gegründet wurden. Auch sonst verliert der Staat zunehmend seine paternalistische Rolle. Er muß die Lebensmittelzuteilungen immer weiter zurückfahren, er muß immer mehr Arbeiter entlassen. Wo aber der Staat nicht mehr Lohn und Brot gibt, wächst auch die materielle Unabhängigkeit von ihm. Die Angst von Castro & Co ist, daß dies auch mehr soziales und politisches Selbstbewußtsein mit sich bringt – deswegen, und nicht nur aus Trägheit oder Ignoranz kommen die Reformen so unendlich schleppend voran.

Der Fall Pablo Milanés hat die Gefahr dieses neuen Selbstbewußtseins auf höchstem Niveau gezeigt. Seine Stiftung ist nun geschlossen. Die Herrschenden in Havanna wehren den Anfängen. Bert Hoffmann