Pentagon will wieder richtig Bomben testen

■ Druck auf US-Präsident Clinton, Atomwaffentestverbot aufzuweichen

Genf (taz) – US-Präsident Bill Clinton gerät immer mehr unter Druck, die bisherige Haltung seines Landes bei der Genfer UNO- Abrüstungskonferenz zu korrigieren und statt eines „umfassenden“ Atomteststopp-Vertrages lediglich ein begrenztes Testverbot anzustreben.

Bei internen Beratungen der Administration und der Streitkräfte in der vergangenen Woche, deren Ergebnisse der taz vorliegen, drängten Vertreter des Pentagon, der Atomwaffenlaboratorien sowie die Militärs massiv darauf, in dem Genfer Abkommen Atomwaffentests lediglich ab einer Sprengkraft von 300 Tonnen aufwärts zu verbieten. Bei den zweitägigen Beratungen im Hauptquartier der strategischen Atomstreitkräfte auf der Luftwaffenbasis Offut bei Omaha im US-Staat Nebraska sprachen sich lediglich die Vertreter des für die Entwicklung von Atomwaffen zuständigen Energieministeriums (DOE) sowie der Washingtoner Rüstungskontroll-und Abrüstungsbehörde (ACDA) für die Beibehaltung der bisherigen US-Position aus. Danach sollen lediglich sogenannte „hydronukleare“ Tests mit einer Sprengkraft bis zu 1,8 Kilogramm auch nach einem Teststopp-Abkommen erlaubt sein. Bei „hydronuklearen“ Tests schmelzen oder verdampfen die eingesetzten Spaltstoffe. Es kommt nicht zu einer Kernexplosion. Diese wird statt dessen per Computer simuliert.

Die Vertreter von DOE und ACDA widersprachen der Behauptung des Pentagon und der Militärs, Tests mit der Sprengkraft von bis zu 300 Tonnen seien unerläßlich, um die Sicherheit und Verläßlichkeit des bestehenden Atomwaffenarsenals zu gewährleisten. Mit demselben Argument hatte Frankreichs Präsident Chirac am Dienstag die Wiederaufnahme von Atomwaffentests im Südpazifik begründet.

Offiziell hatten sich alle Atomwaffenmächte für ein Abkommen über einen „umfassenden“ Teststopp ausgesprochen. Mit dem Versprechen, dieses Abkommen bis spätestens Ende 1996 zu unterschreiben und in Kraft treten zu lassen, hatten die fünf Mächte vor einem Monat in New York die unbefristete Verlängerung des Atomwaffensperrvertrages gegen zunächst erhebliche Bedenken zahlreicher Vertragsstaaten durchgesetzt.

Doch hinter den Kulissen der Genfer Abrüstungskonferenz drängen Frankreich und Großbritannien ebenfalls darauf, atomare Explosionen mit bis zu 300 Tonnen Sprengkraft von einem Teststopp- Verbot auszunehmen. Rußland plädiert ebenfalls intern bislang für eine Grenze von maximal 100 Tonnen. China hat sich noch nicht geäußert. Diese vier Atomwaffenmächte hoffen darauf, daß die USA ihre bisherige Haltung korrigieren.

Das Pentagon und das strategische Oberkommando der US- Streitkräfte berufen sich auf eine geheime Zusage Clintons vom Herbst letzten Jahres, nach der unbegrenzten Verlängerung des Sperrvertrages die Frage neu zu diskutieren, ob die USA bei der Genfer Abrüstungskonferenz ein „umfassendes“ oder ein begrenztes Testverbot anstreben sollen. Die Entscheidung über die künftige US-Position soll jetzt bis spätestens Ende August im Nationalen Sicherheitsrat gefällt werden. Andreas Zumach