„Redet nicht dauernd von Bosnien!“

Der 26. Evangelische Kirchentag bekommt sein wichtigstes politisches Thema nicht in den Griff / Interventionsbefürworter sprechen laut darüber, aber nicht auf den Podien  ■ Aus Hamburg Bascha Mika

Wer erwartet perfekte Rezepte gegen das Morden in Bosnien? Niemand. Wer hat erwartet, daß der 26. Evangelische Kirchentag in Hamburg gerade deshalb das Thema zum wichtigsten politischen Streit erklärt? Eigentlich alle.

Doch der Kirchentag, der über Jahre im Zeichen der lila Halstücher der Friedensbewegten stand, ist an dieser Frage gescheitert: Der Streit wurde nicht organisiert – obwohl die Entscheidung des Bundestages über Interventionsmöglichkeiten auf dem Balkan in Kürze bevorsteht. Das lag allerdings nicht am Desinteresse der TeilnehmerInnen; die kamen zu Tausenden zu den beiden Foren, in denen der Krieg in Ex-Jugoslawien zur Debatte stand und kontrovers hätte diskutiert werden können. Versagt hat die Kirchentagsleitung und ihr Präsident Ernst Benda.

In diversen Interviews forderte Ernst Benda zwar ein militärisches Eingreifen in Bosnien und ein stärkeres Engagement der Bundeswehr, doch er ließ sich auf keinem Podium blicken, um seine Haltung zu rechtfertigen. Der Gastgeber des Kirchentages, Bischof Karl Ludwig Kohlwage, sagte in einem taz-Gespräch, daß militärische Intervention durchaus Christenpflicht sein könne. Auch er saß in keiner Kirchentagsdiskussion zu diesem Thema. Ebensowenig waren andere Interventionsbefürworter zur offenen Auseinandersetzung geladen. So blieb die Kontroverse merkwürdig zwischen den Stühlen hängen. Ein Armutszeugnis für den Evangelischen Kirchentag, der sich viel auf seine Streitkultur zu Gute hält.

Das machte es der Basis des Kirchentages leicht, sich eindeutig für eine Option zu entscheiden. Das Forum „Gewalt überwinden“ verabschiedete eine von Friedensgruppen eingebrachte Resolution an den Bundestag. Darin heißt es: „Die Verstärkung des militärischen Engagements und die weitere Entwicklung der UN zur Kriegspartei“ könne den Frieden im ehemaligen Jugoslawien nicht herbeizwingen. Die Bundestagsabgeordneten sollten endlich konsequent die politischen, wirtschaftlichen und zivilen Möglichkeiten nutzen, um eine Friedensperspektive zu eröffnen.

„Zivile Bearbeitung von Konflikten als globale Aufgabe“ – unter diesem Titel tagte das zweite Forum, in dem der Balkankrieg zur Sprache kam. „Redet nicht dauernd von Bosnien!“ rief Geert- Hinrich Ahrens, Kovorsitzender der Internationalen Konferenz für das ehemalige Jugoslawien. Ein Schock für die TeilnehmerInnen. Doch was wie Zynismus klang, war bei Ahrens ein vehementes Plädoyer für zivile Maßnahmen, um eine weitere Ausbreitung des Krieges zu verhindern. Ahrens: „Ich weiß nicht, ob wir in Bosnien noch etwas tun können. Aber in Mazedonien und im Kosovo – da vielleicht.“

Friedensforscher und ein Politikberater der Bundesregierung saßen auf dem Podium, eine SPD- Politikerin, eine Vertreterin des Quäker-peace-Service und ein hoher Vertreter des Militärs. Einig waren sie sich darüber, daß die Kirchen in Ex-Jugoslawien Teil des Problems sind. Einig auch darüber, daß es nicht um eine ideologische Diskussion pro oder contra Soldaten gehe, sondern um die Frage: Was rettet Menschenleben?

Doch selbst Generalmajor Manfred Eisele, beigeordneter Generalsekretär der Vereinten Nationen, gab zu: „Es gibt keine militärische Lösung für den Balkankonflikt.“