„Alles nur Propaganda unserer Konkurrenten“

■ Der „Abwerber“ Nemal Celink über die derzeitige Krise im türkischen Tourismusgeschäft

taz: Herr Celink, jahrelang waren Sie unterwegs, um Touristen, die vordem nach Italien oder Spanien gereist sind, für die Türkei abzuwerben. Die dortigen Agenturen haben lange Zeit vergeblich Rache geschworen. Nun scheint es, als ob die politischen Ereignisse in Ihrem Land den Tourismus auch ohne deren Zutun auf Null bringen.

Nemal Celink: All das stimmt überhaupt nicht. Ich habe seit Anfang der achtziger Jahre nichts anderes getan als jeder andere Werber für Reisende: Ich habe Offerten unterbreitet, und wenn die günstiger waren als die anderer europäischer Länder, kamen die Leute lieber zu uns.

Aber oft aufgrund der bewußten Denunzierung und auch Übertreibung von Engpässen oder Schwächen anderer Länder...

Das ist so üblich auf dem freien Markt. Jedenfalls kommen die meisten, die einmal bei uns waren, immer wieder, auch heute noch. Wenn etwas anderes geschrieben oder gesagt wird, ist das alles nur Propaganda unserer Konkurrenten.

Ihre eigenen Fremdenverkehrsbüros melden aber kräftige Buchungsrückgänge, auch zahlreiche Stornierungen schon gebuchter Aufenthalte...

Das bezieht sich ausschließlich auf Gebiete, in denen man kurdische Anschläge befürchtet...

Nein, auch in anderen Gebieten, selbst in Istanbul, sind die Buchungen rückläufig.

Nur vorübergehend. Natürlich nutzen unsere Konkurrenten den Terrorismus, um unsere Angebote mieszumachen.

Wie das viele Ihrer Anbieter umgekehrt auch getan haben, etwa Anfang der achtziger Jahre in Italien, als dort die extreme Rechte viele Sprengstoffattentate verübte, oder auch in Spanien...

Was wollen Sie denn? Daß die Touristen in Gebiete fahren, wo es nach aller Wahrscheinlichkeit knallt?

Eben. Das scheint doch ein Grund für die derzeitige Baisse bei Ihnen zu sein. Aber reden wir vom finanziellen Aspekt: Stehen viele Reiseunternehmen bei Ihnen vor der Pleite?

Einige schon, aber das hat nichts mit dem zu tun, worauf Sie angespielt haben. Was stimmt, ist, daß es in den achtziger Jahren einen zu großen Boom gegeben hat, daß viele sich auf allerlei dubiose Versprechen prallgefüllter Busse mit Touristen verlassen und entsprechend gebaut haben. Nun aber ist auch der Markt bei uns allmählich gesättigt.

Hätten Sie nicht aus den Erfahrungen anderer Länder, etwa Italien oder Tunesien, lernen können, wo die Hoteliers auch wie verrückt sozusagen „nachgerüstet“ haben, vom Farbfernseher bis zum Swimmingpool selbst direkt am Meer, von der 24-Stunden-Animation bis zur Abenteuertour alles inklusive?

Sicher. Nur, und das war eine Fehleinschätzung, wir dachten aufgrund der bei uns wesentlich billigeren Arbeitskräfte und einiger noch intakter familiärer Strukturen auch bei einem bescheidenen Rückgang noch überdauern zu können. Offenbar aber wirft nun schon die kleinste Krise einen großen Teil der Anbieter aus dem Geschäft.

Wie werden Sie reagieren?

Da gibt's ja wohl nur eines: Augen zu und durch. Vielleicht muß ich jetzt wirklich einmal mit dem beginnen, was die Konkurrenz oder auch Sie mir vorwerfen: mit einer aggressiveren Abwerbepolitik. Interview: Anselma Britti