„Mehr Rechte als bekannt“

Mieterbund startet Infokampagne im Osten / Fünf Millionen Haushalte warten auf ihre Mieterhöhung / Mietenüberleitungsgesetz hat Tücken  ■ Aus Berlin Christoph Seils

Rund fünf Millionen Haushalte in den neuen Bundesländern und Ostberlin erhalten in den kommenden Tagen Post von ihrem Vermieter. Die verheißt nichts Gutes, denn nach monatelangen politischen Auseinandersetzungen trat am 11. Juni das Mietenüberleitungsgesetz (MÜG) in Kraft. Es soll den MieterInnen in den neuen Bundesländern und Ostberlin in den kommenden zweieinhalb Jahren den Übergang in das westdeutsche Vergleichsmietensystem bescheren. Ein Gesetz mit „schwerwiegenden Mängeln“, wie gestern die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes, die SPD-Bundestagsabgeordnete Anke Fuchs, in Berlin erklärte. Das Gesetz werde „einem sozialverträglichen Übergang in die Vergleichsmiete nur ungenügend gerecht“.

Vor allem müßte, so Anke Fuchs, der Übergangszeitraum von zwei auf fünf Jahre verlängert werden. Auch müßte die Möglichkeit unterbunden werden, die Kappungsgrenze für Modernisierungsumlagen bei staatlich verordneten Baumaßnahmen zu unterlaufen. Die 15prozentige Kappungsgrenze bei Neuvermietungen sollte nach Auffassung des Mieterbundes auch in Westdeutschland eingeführt werden.

Trotzdem ist das MÜG in den Augen der sozialdemokratischen Mieterpolitikerin ein „tragfähiger Kompromiß“ mit wichtigen Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung. „Wir haben“, so Anke Fuchs, „enorm gekämpft.“ Dem Deutschen Mieterbund und der SPD sei also Dank, daß es nicht noch schlimmer gekommen ist. Doch es könnte für viele Mieter schlimm genug werden, denn das auf die Schnelle gestrickte Gesetz enthält so manche Tücke.

Mit dem Wörtchen “und“ hat der Gesetzgeber zum Beispiel so seine Schwierigkeiten. Bei Wohnungen, die „nicht mit einer Zentralheizung und einem Bad ausgestattet sind“, so steht es im Gesetzestext, darf die Mieterhöhung nur zehn Prozent betragen. Doch wie dieses „und“ zu verstehen ist, darüber streiten die Experten. Die Wohnungswirtschaft möchte es gerne kumulativ verstehen, so daß nur Wohnungen, die weder Bad noch Zentralheizung besitzen, in den Genuß der niedrigeren Miete kommen. Dies wären etwa zehn Prozent der Mieter. Doch es reicht, darauf hat das Justizministerium in Bonn Anfang des Monats noch einmal hingewiesen, daß eines der beiden Ausstattungsmerkmale fehlt. Also betrifft es 46 Prozent der Mieter in Ostdeutschland. Ein Unterschied, der viele Mieter bares Geld kosten könnte, und auch der Deutsche Mieterbund rechnet damit, daß das Wörtchen „und“ die Gerichte beschäftigen wird.

Um Bares geht es auch beim Zustand vieler Wohnungen. Denn ob das Gebäude an drei Teilen im Sinne Gesetzes „erhebliche Schäden“ aufweist, die Miete also nicht erhöht werden darf, darüber gibt es zwischen Mietern und Vermietern ganz unterschiedliche Auffassungen. Die schwammige Formulierung „erheblicher Mangel“ beschäftigt die Gerichte bereits seit 1993 die zweite Grundmietenverordnung mit ihren Beschaffenheitskriterien in Kraft trat.

Damit die Mieterhöhung ab 1. August wirksam werden kann, müssen die Vermieter ihre Mieterhöhungserklärung noch vor dem 1. Juli zustellen. Eile ist geboten, auch für die Mieter, schließlich hätten sie, so Anke Fuchs, „mehr Rechte, als viele wissen“. In Berlin startete der Mieterbund deshalb gestern eine Informationskampagne. Mit einer Million Faltblätter, einer 68seitigen Broschüre, die für fünf Mark im Zeitschriftenhandel erhältlich ist, und mit Einzelberatung in über 100 Ortsgruppen will der Mieterbund die ostdeutschen Mieter für die Prüfung der Mieterhöhungserklärung rüsten. Denn erstmals dürfen die Ossis ihrer Mieterhöhung zustimmen. „Die Zeit der verordneten Mieterhöhungen“, frohlockte Fuchs, „ist vorbei“. Aber für die MieterInnen bedeutet dies, sie können auch besser über den Tisch gezogen werden, wenn sie nicht aufpassen.