Der Dalai Lama sucht Hilfe in Bonn

■ Tibet-Anhörung im Bundestag: Amnesty prangert Verletzung der Menschenrechte durch chinesische Führung an

Bonn (epd/dpa) – Die Bundesregierung sollte nach Auffassung des Dalai Lama auf die Volksrepublik China einwirken, damit es zu ernsthaften Verhandlungen zwischen der tibetischen Exilregierung und Peking kommt. Materielle Hilfe der Bundesrepublik werde am besten in die Schulung und Ausbildung der TibeterInnen investiert. Vor dem Auswärtigen Ausschuß des Bundestages sagte das geistliche Oberhaupt der Tibeter gestern in Bonn, eine Loslösung Tibets, das seit 1949 von China besetzt ist, strebe er nicht an. Dafür werde er von vielen Tibetern scharf kritisiert.

Der im indischen Exil lebende Dalai Lama verteidigte den von ihm befürworteten „mittleren Weg“ zwischen vollständiger Trennung von China und mehr Eigenständigkeit, die es den Tibetern erlaube, gemäß ihren religiösen und kulturellen Werten zu leben. Für Verhandlungen gebe es keine Vorbedingungen der tibetischen Exilführung.

Der Friedensnobelpreisträger bezeichnete die Situation in Tibet als dramatisch, es gehe um das Überleben des tibetischen Volkes. Mehr als 1,2 Millionen TibeterInnen seien seit der Besetzung umgekommen. Er berichtete über ökologische Zerstörungen der Region und über die Siedlungspolitik Pekings, die dazu führe, daß das tibetische Volk zur Minderheit werde.

Zum Auftakt der Anhörung zeigte sich der CDU-Politiker Christian Schwarz-Schilling befriedigt, daß der Dalai Lama endlich mit seinem Anliegen in Deutschland Gehör finde. In der Vergangenheit waren Tibet-Hearings mehrfach abgesagt oder abgesetzt worden – offensichtlich mit Rücksicht auf Peking.

Massive Menschenrechtsverstöße in Tibet beklagte Dirk Pleiter von amnesty international. Ende 1994 gab es 628 politische Gefangene, in den ersten drei Monaten dieses Jahres seien weitere 123 Festnahmen aus politischen Gründen erfolgt. Die meisten Gefangenen kämen nie vor ein Gericht, viele würden gefoltert.

Klemens Ludwig von der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ sagte, die Pekinger Siedlungspolitik habe zur Folge, daß Tibet immer mehr zu einer chinesischen Provinz werde. Andere Experten wiesen darauf hin, daß die Chinesen in Tibet wirtschaftlich privilegiert würden.

Karl-Walter Lewalter, Asienbeauftragter im Auswärtigen Amt, nannte die Menschenrechtssituation in Tibet „kritisch“. Die Bundesregierung habe jedoch keine Anhaltspunkte für eine systematische Benachteiligung der TibeterInnen in den Bereichen Erziehung, Bildung und Gesundheit, meinte er. Verschiedene Vertreter von SPD und CDU kritisierten Lewalters Ausführungen.