Scharping mahnt Schröder

Energieforum der SPD-Bundestagsfraktion vor den Konsensgesprächen mit der Regierungskoalition / Der SPD-Vorsitzende Scharping sieht keine Einigung auf neue AKW-Pläne  ■ Aus Bonn Niklaus Hablützel

Gerhard Schröder behielt sich auch gestern das Schlußwort vor. Für Niedersachsens Ministerpräsident sind die Bonner Energie- Konsensgespräche, die heute fortgesetzt werden, noch nicht gescheitert. Er will der Regierungskoalition vorschlagen, Arbeitsgruppen zu erneuerbaren Energien und zur Kernkraft einzurichten.

Berührungsängste sind ihm völlig fremd: Selbstverständlich könne in diesem Rahmen auch über die sogenannte Option gesprochen werden, einen neuen Reaktor zu genehmigen, sogar ohne einen Standort zu benennen. Dieses weitgehende Angebot an die Regierung und die Atomindustrie löst seit Wochen Identitätsängste der Sozialdemokraten aus. Der Nürnberger Parteitagsbeschluß zum Ausstieg aus der Atomenergie steht auf dem Spiel.

Gestern hatte die Bundestagsfraktion ins Bonner Wasserwerk geladen. Partei- unf Fraktionschef Scharping wollte öffentlich klarstellen, daß auch die Energiepolitik Chefsache ist. Der Konflikt mit Schröder ist ungelöst. Scharping setzt auf eine Effizienzrevolution mit Spartechniken, Solar- und Windenergie, die zugleich die Arbeitsplätze in den Kohlerevieren sichern soll.

Skeptisch merkte IGBE-Chef Berger an, daß mit solchen Versprechungen wohl keine Mehrheiten zu gewinnen seien. Darum ging es Scharping nicht. Er versuchte, seinen Rivalen aus Hannover auf seine eigene Definition des Begriffs „Konsens“ festzulegen. Konsens sei schon jetzt mit den anderen Parteien und in der Bevölkerung erreicht in der Frage der alternativen Energien. Über ihre Förderung, wie auch über die Zukunft der deutschen Braun- und Steinkohle, könne deshalb in den Bonner Parteiengesprächen sehr wohl eine Einigung erzielt werden.

In der Frage der Atomenergie allerdings seien die Positionen endgültig unvereinbar. Lediglich „denkbar“ sei es, warnte Scharping, daß in Arbeitsgruppen über das Problem der radioaktiven Abfälle und über Endlagerstandorte geredet werde — unabhängig davon, ob für die alten Atomkraftwerke bestimmte Fristen gesetzt oder gar der Bau neuer Reaktoren zugelassen werde. Mehr ist nicht drin, am Ausstiegswillen der SPD dürfe kein Zweifel aufkommen. Allerdings solle sich die SPD- Energiepolitik, die zugleich eine Klimapolitik sei, nicht in „kleinkarierten, ideologischen Positionen verhaken“. Auch Hubert Weinzierl, Vorsitzender des BUND, riet den Sozialdemokraten zum Marsch an der Atomfrage vorbei. Die „große gesellschaftliche Debatte“ sei in Bonn zu einem Gefeilsche um Atom und Kohle verkommen. 50 Milliarden Mark sollten in den nächsten 15 Jahren ausgegeben werden, um Spartechniken, Sonnen- und Windenergie zu fördern. Die Investitionen müßten ja nicht an den Ausstieg aus der Atomenergie gebunden werden.