Shell von allen verlassen

■ Tengelmann boykottiert / Bombendrohungen gegen Tankstellenpächter / Major für Untergang

Berlin (taz/dpa/AP) – „Großbritannien wird seinem Ruf gerecht, das Schmuddelkind Europas zu sein“, sagte Calum Macdonald, Labour-Abgeordneter im britischen Unterhaus. Bei einer überaus lebhaften Diskussion gestern im House of Commons sicherte Premierminister John Major der britischen Shell seine „volle Unterstützung“ zu. „Ich glaube, daß die Versenkung in tiefer See die richtige Entsorgungsart ist.“ Von der Labour-Bank kam daraufhin der Zwischenruf: „Das wird Ihnen auch bald passieren!“

Als erstes großes Unternehmen wird Tengelmann nicht mehr bei Shell tanken. Der alleinige Geschäftsführer Erivan Haub läßt seit Montag die firmeneigenen 557 LKWs und 1.600 PKWs nicht mehr bei der gelben Muschel vollaufen. 90.000 Mitarbeiter in Deutschland und über 100.000 im europäischen Ausland bat der weltweit größte Einzelhandels-Filialist (Kaiser's, Plus, OBI), sich an dem Boykott zu beteiligen. „Wenn den Anfängen nicht gewehrt wird, werden unsere Meere zu Sondermüllkloaken“, sagte Haub. Greenpeace Niederlande überreichte Shell in Den Haag eine Petition mit 20.000 Unterschriften gegen die Versenkung der Plattform. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), DGB-Vorsitzender Dieter Schulte, Oskar Lafontaine (SPD) und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) waren sich einig: „Es ist fünf vor zwölf.“ Oskar Lafontaine forderte ein generelles Verbot zur Versenkung der Ölplattformen im Meer.

Als Protest gegen den bundesweiten Shell-Boykott haben die fünf Koblenzer Shell-Pächter ihre Tankstellen für 24 Stunden geschlossen. Bombendrohungen haben viele Shell-Tankstellen-Pächter in den letzten Tagen erhalten, so die Deutsche Shell AG gestern. Ein Pächter in Coesfeld bei Münster ist nur knapp einem Briefbombenanschlag entgangen. Der Umschlag explodierte beim Öffnen nicht. In den Niederlanden setzt die Shell Sicherheitsdienste an den Zapfsäulen ein. Seiten 6 und 10