■ NRW: Rot-grüner Kompromiß bei Garzweiler II?
: Zwei brisante Pfade

Jetzt wird es ernst in Nordrhein-Westfalen. Scheitern kann Rot-Grün nur noch an einer Frage: Wie geht es weiter mit dem Braunkohletagebau-Projekt Garzweiler II? Ein Vorhaben, das große Teile der SPD nach wie vor für „unverzichtbar“ halten, während es den Grünen als „Wahnsinnsprojekt“ gilt, energiepolitisch überflüssig und klimapolitisch unverantwortbar. Falsifizieren lassen sich diese gegensätzlichen Glaubensbekenntnisse nicht. Wieviel Strom in NRW ab dem Jahr 2006 – dann sollen die Bagger in Garzweiler II loslegen – nachgefragt wird, weiß niemand genau. Zur Zeit werden in NRW 50 Prozent des Stroms aus Braunkohle produziert. Würde Garzweiler II gestoppt, fielen etwa 30 Prozent der Braunkohle und damit 15 Prozent der Stromkapazität aus.

Ist deshalb der Tagebau „unverzichtbar“? Will man den Braunkohlestrom nicht durch Atomenergie, Steinkohle oder Gas ersetzen, dann bleiben nur zwei Möglichkeiten: Reduzierung des Stromverbrauchs und Ausbau von regenerativen Energien. Bis zum Jahre 2010, das sagen Greenpeace-Gutachten, ließen sich 20 Prozent einsparen. Eine Vervierfachung der Energieeffizienz hält der Klimaforscher Ulrich von Weizsäcker bei Veränderung der entsprechenden Rahmenbedingungen innerhalb von 30 Jahren für möglich. Sicher, von Weizsäcker könnte irren, aber das gilt nicht minder für die Garzweiler-Befürworter.

Für die Düsseldorfer Koalitionsparteien weist diese Prognose-Unsicherheit den Weg aus der Verhandlungssackgasse. Dafür muß der Garzweiler-Beschluß nicht aufgehoben werden. Wenn die von beiden Partnern gewollte „Energiewende“ durch politische, gesetzliche und finanzielle Initiativen tatsächlich in den nächsten fünf Jahren auf den Weg zu bringen wäre, erübrigte sich Garzweiler II. Scheiterte dieser erste Pfad, stünde ein zweiter auf der Tagesordnung: ein möglicherweise verkleinerter Tagebau Garzweiler II. Damit der zweite Pfad in einem solchen Fall aber überhaupt umgesetzt werden kann, muß die entsprechende Planung nach Auffassung der SPD weitergehen. Dagegen wehren sich die Grünen. Sie fürchten eine Präjudizierung des Tagebaus. Liefe es darauf hinaus, könnten sie den Pakt in der Tat nicht besiegeln. Zusätzliche rechtliche Bindungen sind unakzeptabel. Ein Umsiedlungsstopp allein reicht nicht aus. Konkret heißt das: Den in zwei Jahren fälligen Rahmenbetriebsplan kann ein grüner Umweltminister nur absegnen, wenn der Energiekonzern RWE als Betreiber von Garzweiler II die Rückholbarkeit dieser Genehmigung akzeptiert. Andernfalls entpuppte sich der zweite Pfad nur als ein Trick zum Einfangen eines Koalitionspartners. Walter Jakobs