Rabbinat wäscht 350 Israelis rein

Behörden verkürzen die schwarze Liste der begrenzt Heiratsfähigen / Israelis sollen zum Schließen von Zivilehen ins Ausland reisen  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

350 Israelis, die bisher als „unrein“ galten, sind seit dieser Woche „rein“. Am Dienstag erklärte Israels Minister für religiöse Angelegenheiten, Schimon Schetrit, ihre Namen würden von einer „schwarzen Liste“ gestrichen. Für die Betroffenen hat dies zur Folge, daß sie heiraten dürfen. Auf der Liste bleiben vorerst die Namen von 3.500 Israelis, denen damit die Ehe verwehrt ist.

Der seit einem Vierteljahr amtierende Schetrit ist Israels erster nichtreligiöser Minister für religiöse Angelegenheiten. Seit der Staatsgründung blieb das Ressort in allen Regierungskoalitionen Vertretern der religiösen Parteien vorbehalten. Der zum rechten Flügel der Arbeitspartei gehörende Schetrit übernahm den Posten, als die sephardisch-orthodoxe Shass- Partei aus der Koalition ausschied. Seither ist in der israelischen Regierung keine religiöse Gruppierung mehr vertreten. Zu Schetrits ersten Amtshandlungen gehörte die Ankündigung, die von den Rabbinatsbehörden erstellten Listen zu überprüfen.

In Israel sind Staat und Religion nicht getrennt. Auf dem weiten Gebiet des Familienrechts entscheidet das Rabbinat und seine auf jüdisch-orthodoxen Gesetzen und Regeln basierenden Gerichte. So können in Israel keine Zivilehen eingegangen werden, und jede Beerdigung hat nach religiösem Ritus zu erfolgen. Die Einäscherung von Toten ist aus religiösen Gründen verboten. Die Beerdigung von verstorbenen Nichtjuden ist in Israel oft mit ernsten Schwierigkeiten verbunden.

Besondere Probleme haben Israelis, deren Namen auf der schwarzen Liste stehen: Aufgrund von oft seit über 2.000 Jahren geltenden orthodoxen Regeln und deren Auslegung durch Rabbiner dürfen sie entweder überhaupt keine Ehe eingehen oder nur ausgewählte PartnerInnen heiraten. Diese Regeln gelten gleichermaßen für religiöse und nichtreligiöse Jüdinnen und Juden.

Auf die Liste kommen angebliche Ehebrecherinnen (bei Männern ist Ehebruch nicht strafbar) und Kinder aus außerehelichen Beziehungen verheirateter Frauen. Letztere dürfen keine jüdischen Partner heiraten und sollen gemäß der orthodoxen Tradition über zehn Generationen hinaus von der Gesellschaft gestraft werden. Auf der Liste stehen auch die Namen von Männern, die angeblich von Kohanim (Priestern) abstammen. Sie sollen daran zu erkennen sein, daß sie heute Kohen, Kahane oder ähnlich heißen. Ihnen ist es verboten, eine geschiedene Frau zu heiraten.

Die streng geheime Liste lagert im Tresor des Religionsministeriums. Dessen Dienstherr galt bis zu Schetrits Amtsantritt als Verbündeter des Rabbinats in der Regierung, das Ministerium als sicherer Aufbewahrungsort. Nur das oberste Rabbinatsgericht und zwei Beamte des Ministeriums sollen Zugang zu dem Dokument haben.

Dennoch gelangte in der vergangenen Woche eine Kopie der Liste an das religiöse Wochenblatt Jom Haschischi. Ohne Namen zu nennen berichtete die Zeitung, unter den aufgelisteten 4.150 Personen befänden sich „bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“. In den meisten Fällen handele es sich um Frauen, deren außerehelichen Beziehungen sie für eine neue Heirat disqualifizierten. Wer die Liste den Journalisten zugespielt hat, ist unklar. Im Religionsministerium ist man der Ansicht, daß die Publikation die Reformbemühungen des Ministers erschweren soll.

Kurz darauf gab Israels Oberrabbiner Jisrael Meir Lau die Kürzung der Liste um 350 Namen bekannt. Der Schritt ist angeblich Resultat eines Kompromisses zwischen Schetrit und dem obersten rabbinischen Rat. Nach welchen Kriterien dabei vorgegangen wurde, ist unbekannt. Schetrit soll sich verpflichtet haben, orthodox- religiöse Grundsätze streng zu beachten. Lau erklärte, daß Ehe- und Scheidungsangelegenheiten ausschließlich in den Händen der Rabbinatsgerichte bleiben müßten, weil sonst die Zersplitterung des jüdischen Volkes drohe.

Schetrit wies darauf hin, daß derzeit „ungefähr 100.000 Menschen“ in Israel leben, die nach orthodoxen Kriterien nicht als Juden gelten. Dabei handele es sich zumeist um Einwanderer aus der ehemaligen UdSSR. Um ihnen und den auf der schwarzen Liste verzeichneten Personen dennoch eine Heirat zu ermöglichen, schlug Schetrit vor, sie zur Schließung von Zivilehen auf Staatskosten ins Ausland zu schicken.