Anmelden im Gotteshaus verboten

■ Berliner Justiz verurteilt einen Pfarrer, weil er ihr helfen will

Berlin (taz) – Es war einmal ein Obdachloser namens Manfred Lehmann. Der hatte zwar keine Wohnung und damit keine Meldeadresse, doch das irdische Glück, auf Joachim Ritzkowsky, den Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde in Berlin-Kreuzberg zu treffen. Der hatte ein Einsehen und meldete Lehmann im Pfarrhaus an. Das Landeseinwohneramt jedoch deckte die bürokratische Todsünde auf. Ritzkowsky sollte Buße tun – in Höhe von 129 Mark.

Der tapfere Kirchenmann aber weigerte sich, das Büßerhemd anzulegen. Statt dessen legte er Einspruch ein, das Amtsgericht sollte im Oktober letzten Jahres über den eigenmächtigen Gottesmann richten. Doch o weh! Der Obdachlose konnte nicht als Zeuge geladen werden – das Landeseinwohneramt hatte ihn wieder abgemeldet. Also beging Ritzkowsky noch einmal ein Unrecht und meldete sein Schäfchen ohne Stall erneut im Pfarrhaus an. Doch Justitia dankte ihm die Zuarbeit zur Zustellung der Zeugenladung nicht. Stehenden Fußes bekam Ritzkowsky, der eine Selbstanzeige hinterherschickte, erneut einen Bußgeldbescheid und eine Anzeige an den Hals. Tapfer zog er in den von ihm angestrebten Prozeß. Dieser endete mit einer Verwarnung wegen Falschbeurkundung. Sollte Ritzkowsky die Meldebehörde erneut täuschen, drohen ihm 3.000 Mark Geldstrafe. Auch diese Ungerechtigkeit wollte sich der Pfarrer nicht gefallen lassen. Statt auf Gott zu vertrauen, legte er gegen das Urteil Berufung ein.

Gestern nun sollte erneut über Ritzkowskys frevelhaftes Verhalten gerichtet werden. Daraus aber wurde nichts. Denn eine Wohnung hat Lehmann noch immer nicht. Und immer noch gilt: Wo keine Meldeadresse, da kein Briefkasten für die Zeugenladung. „Man kann darüber nur noch lachen“, sagt der Pfarrer. Er wird einen Teufel tun, Lehmann noch einmal unter Gottes Dach anzumelden. Soll Justitia doch selber sehen, wie Lehmann seine Post bekommt. Barbara Bollwahn