Die große Stunde der Jasager

■ Ende gut, alles gut: Überraschend große Mehrheit im Abgeordnetenhaus für die Länderehe mit Brandenburg

Es war ein Strahlen und Lachen, als gebe es keine Parteien mehr. „Eberhard“, meinte der CDU- Fraktionsvorsitzende Klaus-Rüdiger Landowsky, „kriegt von uns einen feuchten Händedruck und einen Blumenstrauß“. So kam es dann auch, als gestern Punkt 14 Uhr Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien das Ergebnis der Fusionsabstimmung verkündete: 188 Abgeordnete hatten mit Ja, 43 mit Nein gestimmt, zwei sich der Stimme enthalten. Als dann auch die Potsdamer Zahlen die letzten Zweifel am Sieg der Befürworter ausräumten, entspannten sich die Gesichtszüge des Regierenden Bürgermeisters Diepgen zum ersten Mal an diesem sommertrüben Tag.

Noch eine Stunde zuvor hatte Eberhard Diepgen bei seiner Ansprache so tonlos wie ein Grabredner geklungen. Was der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Volker Liepelt, später im Foyer mit der „allgemeinen Spannung“ zu erklären versuchte. Kaum ein Redner hätte „mental seine Möglichkeiten“ ausgenutzt, entschuldigte er den Umstand, daß sein Landesvorsitzender fast wortwörtlich Passagen wiederholte, die er Anfang April vorgetragen hatte. „Ich habe nichts Neues dazugelernt“, meinte der bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland. Die Argumente seien ja nun „wirklich reichlich ausgetauscht worden“.

Die „Glanzstunde des Parlaments“, wie sie zuvor beschworen worden war, unterschied sich von anderen Plenarsitzungen nur in einem Detail: Nur 9 der 241 Sitzplätze blieben leer. Für die Fraktionsspitzen lief alles nach Plan. Die CDU, in deren Reihen bis zuletzt 40 Fusionsgegner ausgemacht worden waren, zeigte sich gestern wieder in gewohnter Diziplin. Mit Verve hatte Landowsky in den letzten Wochen renitente Abgeordnete einzeln auf Herz und Nieren überprüft. Wer bis dahin nicht weichgeklopft worden war, den überließ der mit allen Wassern gewaschene Stratege seinem Schicksal: „Ich halte nichts davon, noch zwei Minuten vor der Abstimmung Telefonate zu führen.“ Immerhin: Noch am gestrigen Vormittag hatten zwei CDU-Sünder ein Einsehen und gelobten ihrem Chef die Folgschaft. Am Ende war alles in christdemokratischer Ordnung. Zwar fehlten zwei Abgeordnete der 100köpfigen Fraktion, zwar kamen auch die beiden einzigen Enthaltungen dieses Tages aus Landowskys Team – am Ende aber waren die 16 CDU-Verweigerer kaum noch der Rede wert.

Treu bis zuletzt blieb sich Reinhard Führer, CDU-Haushaltsexperte und einer der schärfsten Gegner der Fusion. Deutlich sichtbar übergab er bei der namentlichen Abstimmung seine blaue Nein-Karte den Helfern. Kurz zuvor hatte ihn noch einmal Landowsky, der während der halbstündigen Prozedur mit strenger Miene um die beiden Urnen herumgeschlichen war, an die Schulter gefaßt. Nein, nein, beteuerte Führer später, Druck sei nicht ausgeübt worden, und blickte dabei ganz unschuldig geradeaus. „Wenn Sie so wollen, bin ich volles Risiko eingegangen.“

Solche hartnäckigen Leute wie Führer „hatten wir nicht in den eigenen Reihen“, provozierte der bündnisgrüne Wieland in trauter Runde den CDU-Senatssprecher Michael-Andreas Butz. Unter den vier Fusionsgegnern der 21köpfigen Grünen-Fraktion war auch der FDP-Überläufer Werner Wiemann. „Da können Sie mal sehen, wie liberal wir sind“, konterte Wieland einen darauf zielenden Seitenhieb des FDP-Fraktionschefs Axel Kammholz. Die heillos zerstrittenen Liberalen nutzten ihren möglicherweise letzten großen Parlamentsauftritt: Fast geschlossen (17:2) nickten sie den Fusionsvertrag ab.

Nur die 20 anwesenden PDSler waren, wieder einmal, die Schmuddelkinder. Beim großen Schulterklopfen bleiben sie außen vor. Nur eine Abgeordnete verweigerte sich dem Gruppendruck in ihrer Fraktion und stimmte mit Ja. Severin Weiland

Siehe Seiten 4 und 10