Vernichtung der Geschichte

■ "Krieg-Zerstörung-Aufbau": Ausstellung zu Architektur und Stadtplanung in Berlin 1940-1960 / Kontinuität in Faschismus, Wiederaufbau und Kaltem Krieg

Als der Stadtplaner Martin Mächler 1926 seine Utopie eines längs einer Nord-Südachse geordneten Berlins vorstellte, ging er von einer fiktiven – menschenverachtenden – Voraussetzung aus: Ein „Luftangriff, der eine einzige Trümmerstätte zurückläßt“, sollte Raum schaffen für eine riesige Magistrale, damit sich dort Bauten in Reih und Glied aufstellen konnten. Bald darauf holte die derart vorgestellte gewalttätige Bauvorbereitung die alltägliche Wirklichkeit der Spreemetropole und deutschen Hauptstadt ein.

In der Akademie der Künste hängt eine Luftaufnahme des zerbombten Berlin einer Ansicht der „Neugestaltung der Reichshauptstadt“ (1940) gegenüber, auf der ein Triumphbogen und die gigantische Kuppelhalle aus den Wolken einer Götterdämmerung steigen. Damit ist das Thema der Ausstellung „Krieg – Zerstörung – Aufbau: Architektur und Stadtplanung 1940-1960“, in seiner Ambivalenz umspannt. Es geht um Zusammenhänge deutscher Baugeschichte: um die Kontinuität der Planung im Faschismus, beim Wiederaufbau und im Kaltem Krieg. Der Ausstellungsort selbst ist ebenfalls Teil dieser Geschichte. 1937 besetzte der „Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt“, Albert Speer, die Akademie mit seinem Planungsstab. Um ihren säulengestützten und von Löwen bekrönten Anspruch auf die Weltherrschaft bauen zu können, planten die NS-Strategen einen großflächigen Abriß zwischen Tempelhof und Spreebogen. Wer dabei das Dach über dem Kopf verlor, sollte Platz in jenen Wohnungen finden, die durch die „Entjudung“ frei geworden waren.

Mit der Zerbombung deutscher Städte durch die Alliierten änderten sich 1943 die Prämissen der Neugestaltung. Selbst Speer verschob in der „Vorbereitung des Wiederaufbaus bombengeschädigter Städte“ das Gewicht von der repräsentativen Stadtkrone auf die Entwicklung von Standardwohnblocks. Programmatisch wurde das Bild einer entzerrten „Stadtlandschaft“, in der sich die Zeilenbauten und Gartenstädte der ansonsten von den Nazis verfemten Moderne, allerdings ohne ihr soziales Reformpotential, wiederfanden. „Steinhäuser machen Steinherzen“ hatte Bruno Taut 1920 in eine Zeichnung geschrieben, in der ein Häusermeer zusammenstürzte. Darunter tauchte sumpfiges Urland auf, Metapher für jene tabula rasa, auf der sich Stadt und Natur als Gegenbild zum Mief der Mietskasernen harmonisieren ließ. In den Planungsleitbildern mutierte die Gartenstadt erst zur „luftschutzgerechten“ und schließlich zur grün überwachsenen Ruinenstadt, in der Bomben die „mechanische Auflockerung“ besorgten.

So finden sich in den Wiederaufbauplänen Gedanken der Moderne und faschistischer „Neugestaltung“ leicht verändert wieder. Eine Zeichnung zeigt ein City- Band, von Wilhelm Ohm 1948 für Hamburg geplant: Wie die Stränge eines Kabels liegen Wohnparks, Kleingewerbe, Nah-, Schnell- und nicht schienengebundener Verkehr nebeneinander. Am anderen Rand der symmetrisch gestaffelten Trassen findet sich die „Kultur“.

Auf keilförmigen Podesten verdeutlicht die Schau die Spaltung der Baukultur in Ost- und Westdeutschland, die 1950 mit den Reisen ostdeutscher Architekten in die Sowjetunion begann. Mit den Leitbildern von Magistrale und Platz kehrten hierarchische Ordnungsmuster zurück. Seitdem sparten weder Ost noch West mit dem Vorwurf an die jeweilige Gegenseite, totalitäre Muster abzukupfern.

Einfach zu lesen ist die Ausstellung, die von Werner Durth, Jörn Düwel, Jochem Schneider und Niels Gutschow konzipiert wurde, nicht. Hilfe zur Entschlüsselung bietet ein vierhundert Seiten dicker Katalog. Einen sinnlichen Anhaltspunkt liefert der Ausstellungsort selbst, der bis 1989 im sogenannten „Todesstreifen“ lag, durch seine anhaltende Nachkriegsatmosphäre. Ein Stück der innen erzählten Geschichte versuchen die Ausstellungsmacher durch ein Gerüst, das die Proportionen des nur teilweise erhaltenen Gebäudes am Pariser Platz nachzeichnet, nach außen zu tragen. Allein in der Unruhe zwischen der Baustelle des Adlon, Verkehrsstau am Brandenburger Tor und den zum Reichstag pilgernden Scharen verliert sich die Raumzeichnung – fast. Katrin Bettina Müller

Bis 6. 7. täglich 10-21 Uhr, danach bis 13. 8. täglich 10-19 Uhr.