■ Erst Brent Spar und jetzt französische Atombombentests
: Laßt den Camembert laufen!

Was ist die Versenkung einer Ölplattform im Nordmeer gegen acht Atombombenexplosionen im Pazifik? Ein lokales Umweltverbrechen und kein Anschlag auf den Globus.

Der neue „Sonnenkönig“ Jacques Chirac hat eine weitere Atombombentestserie genehmigt. Ein Schiff von Greenpeace ist schon unterwegs in die Südsee. Doch anders als bei Shell und der Brent Spar ist vom Boykott französischer Waren nur in Neuseeland und Australien die Rede. Die PolitikerInnen der EU schweigen. Und die deutsche Umweltministerin, Angela Merkel (CDU), ist hochzufrieden, daß Frankreich im Spätsommer 1996 seine Tests nach acht Explosionen mit radioaktivem Niederschlag generös zu beenden gedenkt. Frankreichs Beispiel hat bereits Schule gemacht. In Washington läßt Bill Clinton darüber nachdenken, ob er nicht dem Wunsch des Pentagon nach neuen Atomversuchen in der Wüste von Nevada nachgeben soll. Schließlich dürfe die Weltmacht USA – atomwaffentechnisch gesehen – nicht hinter der Grand Nation Frankreich herhinken.

Natürlich ist es einfacher, statt bei Shell bei Minol zu tanken, als Waren aus Frankreich zu boykottieren. Obwohl Frankreich „rein szenemäßig“ ziemlich out ist, gilt es weiter als schick, Gauloises zu rauchen, einen Renault oder Citroän zu fahren und Weine aus den notorischen Anbaugebieten zu goutieren. Und selbst die Ferien verbringen einige von uns immer noch in der Bretange oder der Provence. Schluß damit! Auch in Belgien werden Zigaretten aus schwarzem Tabak gedreht, in Schweden fahrbare Autos gebaut, und Wein kann man sogar aus der Region Saale- Unstrutt beziehen. Urlauben können wir überall, Abenteuerlustige sogar in den neuen Bundesländern.

Natürlich bleiben wir den GallierInnen weiter nachbar- und freundschaftlich verbunden. Aber wer – wie Chirac und seine Atombande – nicht hören will, dessen Untertanen müssen fühlen. Der Boykott von Shell hat die Brent Spar zur Umkehr gezwungen. Der Boykott französischer Waren würde Frankreichs exportorientierte Wirtschaft mehr zusetzen, als sie – und schließlich auch Chirac – verkraften können. Wenn die Camemberts aus der Normandie in den Regalen der Supermärkte wegschmelzen, wenn die kampferprobten Winzer aus Bordeaux vor Chiracs Palast Autoreifen anzünden, wenn bei Renault und Citroän die Blechkisten auf Halden stehen – dann spätestens ist Sonnenfinsternis beim Sonnenkönig. Die VerbraucherInnen – die neue politische Macht. Klaus-Peter Klingelschmitt