Ohne Mut hilft keine Kampagne

■ Interview mit Manfred Schüller, Partner bei der Werbeagentur Springer & Jacoby, über die Zukunftschancen der Deutschen Shell

Was kann eine Werbeagentur der Deutschen Shell empfehlen, um das Bild in der Öffentlichkeit zu verbessern?

Manfred Schüller:Erstmal muß man sagen, daß die Herren von Shell eine unglaubliche Chance vertan haben. Wenn sie früher reagiert hätten, hätten sie aus dem Brent-Spar-Problem richtig Kapital schlagen können. Die Entscheidung, die Brent Spar zu versenken, war ohnehin nicht zu halten, das wußte jeder. Und jeder Tag, den sie haben verstreichen lassen, hat sie dramatisch Prestige gekostet. Am Schluß kommentierten die Zeitungen den Verzicht auf die Versenkung dann mit der Schlagzeile: Shell gibt auf.

Und was hätte Shell tun sollen?

Viel früher so entscheiden. Bei der Werbekampagne, die Shell betrieben hat (Motto: „Das wollen wir ändern!“), lacht sich das Volk doch über soviel Dummheit tot. Viel besser hätte die Schlagzeile geklungen: Shell sieht ein.

Das Kind ist im Brunnen, was nun?

Entweder geht Shell in die Offensive, und beginnt glaubwürdig ökologisch etwas zu ändern, im Großen. Dazu gehört sicherlich Mut, viel Selbstbewußtsein und ein mindestens europaweiter Ansatz. Werbung muß heute glaubwürdig sein, sonst funktioniert das nicht. Ohne diesen Mut kann ihnen im Augenblick keine Kampagne der Welt helfen.

Wie kann denn so ein Schritt aussehen?

Dafür muß man sich Zeit nehmen und genau analysieren. Aber wenn man sich entschuldigt, verzeihen einem die Leute fast alles. Wenn Shell einsichtig ist und glaubwürdig macht, das man etwas ändern will, dann liegt darin eine Chance.

Was ist die Alternative?

Einfach abwarten, zuerst keine Werbung machen, die Klappe halten. Derweil kann man die Probleme aufarbeiten und gute Pressearbeit leisten. Erst wenn sich die Situation wieder beruhigt hat, würde man im Frühjahr wieder mit Werbung anfangen.

Ist das eine Strategie, die häufiger gewählt wird? Hoechst scheint nach der Unfallserie vor zwei Jahren so verfahren zu sein.

Die Strategie gibt's sicher häufiger. Man setzt sich mit den Redaktionen auseinander, versucht all das zu verarbeiten, um später werblich einen echten Neuanfang zu starten. In der Zwischenzeit kann dann auch wieder Selbstbewußtsein gesammelt werden. Werbung richtet sich im übrigen ja nicht nur an die Kunden, sondern auch an die Mitarbeiter. Der Tankwart, der sich den ganzen Brass der Kunden anhören mußte und auch noch 50 Prozent Umsatzeinbuße hatte, muß ja auch wieder hochgepäppelt werden.

Wie funktioniert die Auseinandersetzung mit Redaktionen?

Das macht jeder anders. Wichtig ist, daß man etwas zu erzählen hat. Shell könnte zum Beispiel ein internationales Symposium zur Entsorgung von Bohrinseln machen, mit den wichtigsten Kommunikationsexperten, Politikern und mit Greenpeace natürlich.

Was sind denn die Erfolgsbedingungen für so eine Strategie? Hoechst hat damals die Leitung der Pressestelle gefeuert.

Es geht nicht ums Personal, das ist reine Chefsache. Die Problemlösung nach so einer Katastophe auf eine andere Ebene herunterzubrechen, ist unverschämt. Die Pressestelle hat nur das berichtet, was man ihr vorgegeben hat. Die Krise ist für Management und Presse aber auch eine Chance, zu lernen und zu wachsen. Dafür braucht man Zeit. Nach der Krise für eine solche Marke wieder Werbung zu machen, ist jedenfalls eine große Herausforderung. Interview: H.-J. Tenhagen