Die SPD hat wieder einen Oberlehrer

■ SPD-Chef Scharping schickt „letzte Mahnung“ an Widersacher Simonis und Schröder

Berlin (taz/dpa/AP) – „Das ist meine letzte Mahnung. Meine Geduld ist erschöpft. Ich lasse mir nicht mehr bieten, daß einige versuchen, aus der Politik ein Kasperletheater zu machen, während die ganze SPD nun wirklich harte Arbeit leistet.“ Diese Sätze von SPD-Chef Scharping haben gewaltigen Krach bei den Sozialdemokraten provoziert. In ungewohnt offener Weise hatte Scharping insbesondere seine GenossInnen Heide Simonis und Gerhard Schröder zur Ordnung gerufen. Die beiden Ministerpräsidenten sollten sich mit öffentlicher Kritik an der Linie der Partei gefälligst zurückzuhalten. Wer etwas an der SPD-Linie ändern wolle, solle das auf dem Parteitag im November versuchen. „Dann sehen wir ja, wer die Mehrheit hat. Wer sich dort nicht äußert, der soll gefälligst auch danach den Mund halten“, so Scharping in einem Interview.

An Schröder habe ihn geärgert, daß er die Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier wegen der Vorschläge der SPD-Länderfinanzminister zum Subventionsabbau kritisiert habe. Simonis warf Scharping eine „leichtfertige Äußerung“ im Zusammenhang mit der Kindergeld-Diskussion vor. Simonis hatte gesagt, die SPD habe sich bei ihrem Modell verrechnet.

Heide Simonis reagierte auf die Schelte des Vorsitzenden äußerst gereizt: „Man wird ja wohl noch seine Meinung sagen dürfen; seit meinem 21. Lebensjahr verfügt keiner mehr über die Erziehungsgewalt von mir“, so Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin. Mit ihren Bemerkungen zu einem erhöhten Kindergeld habe sie lediglich darauf hinweisen wollen, daß das SPD-Modell von 250 Mark neue Löcher in die Haushalte reißen würde, in denen ohnehin „kaum noch Luft“ sei.

„Ich will nicht jede Äußerung des Herrn Scharping kommentieren“, reagierte der niedersächsische Ministerpräsident Schröder äußerst kühl. Scharpings Kritik sei jedoch „unangemessen und inhaltlich falsch“, schob er nach. Die SPD-Steuerpläne würden Niedersachsen mit 1,2 Milliarden Mark belasten. Das Land müßte alle sozialen Leistungen einstellen: „Das kann ich nicht verantworten.“

Im laufenden SPD-internen Streit um den Bundeswehreinsatz in Bosnien goß Schröder neues Öl ins Feuer. Er erklärte, die Bundestagsabgeordneten seiner Partei könnten in der Bosnien-Debatte nicht auf Parteibeschlüsse festgelegt werden. Der Beschluß des Parteivorstands, nach dem keine Tornado-Kampfflugzeuge entsandt werden sollten, sei lediglich eine „Klarstellung abstrakter Erkenntnisse in Übereinstimmung mit dem Parteitagsbeschluß“. Damit ging er wiederum auf Konfliktkurs zu Oskar Lafontaine. Der rief auf dem saarländischen SPD-Parteitag am Wochenende dazu auf, eine Umdefinierung der Nato von einer Verteidigungsallianz in ein Interventionsbündnis nicht zuzulassen. „Ich bin stolz, daß wir uns an dieser Stelle von anderen unterscheiden“, sagte Lafontaine. klh Kommentar Seite 10