"Verbotene Kunst" verboten

■ Die Göttinger Gruppe "Kultur und Kampf" dokumentiert "Verbotene Kunst" und gerät deshalb selbst mit dem Gesetz in Konflikt / Staatsanwaltschaft wertet Weiterstadt-Plakat als RAF-Unterstützung

Kunst als Widerstand: „Bewußtsein schaffen anstatt zur Gedankenlosigkeit verführen, in gesellschaftliche Prozesse eingreifen anstatt Tatsachen zu vertuschen“ – das will die Göttinger Gruppe „Kultur und Kampf“ (KuK) mit ihrer Dokumentation der „Verbotenen Kunst“ auf Plakaten und Ölbildern erreichen, die derzeit in einer Ausstellung in Kreuzberg zu sehen sind. Sie dokumentiert Geschichte anhand von politischen Plakaten der 80er und 90er Jahre, vom Widerstand gegen die Startbahn West, die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf bis hin zur Antifa-Arbeit.

Die Darstellungen sind stark an den Publikationen des antifaschistischen und revolutionären Widerstands der zwanziger Jahre orientiert, auch die Dada-Bewegung, George Grosz und John Heartfield und andere, eher unbekannte KünstlerInnen tauchen in einem zweiten Teil der Ausstellung auf. Doch im Unterschied zu ihnen ist der derzeitige „Kunstkampf“ in bunten, fast schon grellen Farben mit immer wiederkehrenden Symbolen von Staatsmacht und Gegenmacht dargestellt.

Doch wenn Kunst explizit politisch wird, dann ist sie häufig ein Dorn im Auge der Staatsanwaltschaft. So wurden ein Großteil der Plakate der 1985 gegründeten „Antifaschistischen Kulturinitiative“ verboten und Agit-Prop-Aktionen, die KuK regelmäßig veranstaltet, kriminalisiert. In der Ausstellung werden die zahlreichen Objekte nicht nur gezeigt, sondern deren politischer Hintergrund und die Entstehung ausführlich erläutert.

Zu sehen sind beispielsweise die „Bananen-Hunderter“: Am Vorabend der Vereinigung 1990 wurden auf dem Göttinger Marktplatz an BürgerInnen Tausende von 100-Mark-Scheinen verteilt, auf denen eine Banane und ein Neandertaler abgebildet waren. Doch die falschen Hunderter, die in einigen Geschäften sogar als Zahlungsmittel akzeptiert wurden, fand die Staatsanwaltschaft gar nicht witzig und leitete ein Ermittlungsverfahren gegen KuK ein.

Die Ausstellung in Berlin dokumentiert außerdem zahlreiche Plakate, die innerhalb einer politischen Kampagne der antifaschistischen Gruppe „Antifa (M)“ entstanden sind. So entwarf KuK ein Plakat, das zu einer Demonstration in Mackenrode aufrief, mit einem zerschlagenen braunen Hakenkreuz, in dessen Mitte ein brennendes Haus mit dem Emblem der „Freiheitlichen Arbeiterpartei“ (FAP) zu sehen ist.

Dieses Haus in Mackenrode war Ende der 80er Jahre einer der wichtigsten Treffpunkte für Neonazis im norddeutschen Raum. Von hier wurden zahlreiche Terroraktionen geplant, beispielsweise ein Angriff von 30 Neonazis auf ein Jugendzentrum in Göttingen 1988. FAP-Funktionär Karl Polacek erstattete daraufhin Anzeige wegen Anstiftung zu Straftaten. Die Staatsanwaltschaft leitete gegen einen Redakteur der göttinger nachrichten ein Verfahren ein, weil er das Plakat in seiner Zeitung abgedruckt hatte.

Prominentestes Poster der Ausstellung ist ein Veranstaltungsplakat, auf dem ein schwarzer Demonstrationsblock vor dem Hintergrund des 1993 von der RAF gesprengten Gefängnisneubaus in Weiterstadt zu sehen ist. Seit knapp einem Jahr ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft (GSA) und das niedersächsische Landeskriminalamt (LKA) deshalb nach Paragraph 129a StGB (Werbung für eine terroristische Vereinigung) gegen angebliche KuK-Mitglieder. Der Vorwurf: Sie hätten die (mittlerweile ebenfalls verbotene) KuK-Broschüre „Verbotene Kunst“ mit dem umstrittenen Weiterstadt-Plakat erstellt und vertrieben und somit für die RAF geworben. Auch gegen den Buchladen „Rote Straße“ in Göttingen läuft wegen des Verkaufs der Broschüre ein 129a-Verfahren.

Die Ermittlungsmethoden der Staatsanwaltschaft gegen KuK und Antifa (M) werden in Göttingen stark kritisiert, u.a von SPD- Ortsgruppen, Gewerkschaften und den Grünen. Antifa (M) habe, so der Bundessprecher der Grünen, Jürgen Trittin, die „Bedrohung durch Rechtsradikale zum Thema gemacht“. Die Gruppe werde „wegen ihrer erfolgreichen politischen Arbeit verfolgt.“ Julia Naumann

Die Ausstellung ist vom 23. 6 bis 7. 7. täglich zwischen 16 und 21 Uhr in der Yorckstraße 59 (HH, 2.Stock) zu sehen.