Köpfchen statt Hauruck-Methoden

■ Das Projekt KirchBauhof will Akzente setzen und bildet Frauen, ImmigrantInnen und Jugendliche ohne Schulabschluß aus / Nach anfänglichem Mißtrauen werden qualifizierte Frauen am Bau akzeptiert

„Am Anfang, wenn du neu bist auf 'ner Baustelle, mußt du den Männern erst mal zeigen, daß du 'nen Hammer halten kannst“, lacht Heike, die als gelernte Bauschlosserin schon seit zehn Jahren auf Baustellen ihre Frau steht und sich manchmal wie ein „goldenes Hühnchen“ behandelt fühlte. Jetzt leitet sie im KirchBauhof-Projekt ungelernte BauhelferInnen an, stellt mit ihnen in der angegliederten Schlosserei Geländer, Treppen, kleinere Stahlträger oder Fenster für das Dachgeschoß der Kreuzberger Kirchengemeinde her, wo Büroräume entstehen.

Im KirchBauhof, der von der gemeinnützigen Sanierungsgesellschaft „Stattbau“ und der Heilig- Kreuz-Gemeinde getragen wird, bekommen Frauen, „schwervermittelbare Jugendliche“ und ImmigrantInnen eine Chance, handwerkliches Know-how für einen Job auf dem Bau zu erlernen. Neben der Praxis mit dem Hammer in der Hand werden den BauhelferInnen theoretische Kenntnisse in Bauschlosserei, Trockenbau-Mauern, im Tischlern und Malern vermittelt. Daneben bildet die Maurer- und Trockenbauwerkstatt auch GesellInnen aus. Eine interne Berufschule versucht „Schulgeschädigten“ das Lernen schmackhaft zu machen – in vertrauter Atmosphäre und kleinen Klassenverbänden“, erklärt die Pressesprecherin des Projektes, Inge Gerdes.

Wer dem Vorurteil unterliegt, Frauen in Bauberufen sähen aus wie viertürige Kleiderschränke, wird von Danielas schlanker Erscheinung schnell eines Besseren belehrt. Auch Rückenschmerzen hat sie nicht, im Gegensatz zu vielen Männern, die beim Tragen schwerer Stahlträger „nach der Hauruck-Methode: zack auf die Schulter“ verfahren, statt vorher das Köpfchen anzuschalten und rückenschonende Hebetechniken anzuwenden. Damit kann Daniela einen Großteil der fehlenden Muskelkraft ausgleichen.

Auf der Baustelle der Heilig- Kreuz-Kirche sind die Männer zwar noch in der Überzahl, aber an den Anblick von Frauen, die Hammer, Pinsel und Maurerkelle schwingen, haben sie sich bereits gewöhnt. Ein Viertel der 150 Beschäftigten des KirchBauhofs sind Frauen. Maurerin Daniela leitet fünf Arbeiterinnen an. Ihretwegen könnten es noch wesentlich mehr sein. Doch da das Projekt nur ABM-Berechtigte und SozialhilfeempfängerInnen nimmt, ist der Kirchbauhof auf die Vermittlung der Arbeitsämter angewiesen und darf keine Werbung machen.

Trotz einer entsprechenden Ausbildung verschwinden Frauen allerdings wieder vom Arbeitsmarkt – für Daniela ein Beweis für die Frauenfeindlichkeit der Branche. Erst vor einem halben Jahr wurde das Arbeitsverbot für Frauen im Bauhauptgewerbe aufgehoben. Seitdem habe sich erst wenig getan. Häufigste Ausrede, wenn sich eine Frau auf einer Baustelle bewirbt: „Wir haben keine eigenen sanitären Anlagen für Frauen.“. Doch Daniela ließ sich nicht von der fehlenden Damentoilette abschrecken. Zwei Monate arbeitete sie auf einer reinen Männerbaustelle. „Da herrscht schon ein ganz anderer Umgangston“, meint sie. Doch nach anfänglichem Mißtrauen der Männer – „Kann die überhaupt was tragen?“ – sei sie als gleichberechtigte Kollegin aufgenommen worden.

Neben dem sozialen Aspekt verfolgt der KirchBauhof auch ökologische Interessen. „Wir vermeiden chemische Substanzen so gut wie möglich“, erklärt Inge Gerdes. Als Material zum Dämmen werden zum Beispiel Schafwolle, Altpapierflöckchen, Kokos oder Kork verwendet. Die Tischlerei benutzt kein Tropenholz, die Oberfläche der Möbel wird mit Leinöl oder Bienenwachs behandelt, die Farben werden durch Wärmebehandlung statt durch Lösungsmittel streichfähig gemacht. In einem anderen Projekt in Schöneiche üben sich die KirchBauhof-ArbeiterInnen in Lehmbauweise. Wenn die zweistöckigen Häuser fertig gestrichen sind, sieht man ihnen die altertümliche und gleichzeitig ökologische Bauweise nicht mehr an. Jutta Geray

Umschulungsberechtigte können sich beim KirchBauhof in der Forsterstraße 5 (Tel.: 611 90 27) bis Juli für eine Ausbildung im Trockenbau oder zur MaurerIn melden.