Der Preis der reinen Kunst

■ Die Christos werden nach der Reichstagsaktion auf Schulden sitzen

Christo und die rothaarige Frau an seiner Seite sind entweder richtig schlechte Geschäftsleute oder wahre Vertreter der Branche „brotlose Kunst“.

Nach Angaben der Pressestelle der „Verhüllter Reichstag GmbH“ finanzieren die Verpackungskünstler das fünfzehn Millionen Mark teure Berlin-Projekt ganz allein mit dem Verkauf von Collagen und Zeichnungen des berühmten Bulgaren. Bisher namhaftester Käufer einer Zeichnung: Bausenator Wolfgang Nagel. Aus Mitteln seines Etats hat er eine Zeichnung im Wert von 340.000 Dollar erworben, die „bis auf weiteres“ als Leihgabe der Stiftung Stadtmuseum Berlin im Ephraim-Palais hängen soll.

In der Galerie Georg Nothelfer läuft der Verkauf von Christo- Werken „sehr gut“. Bisher gingen zehn Werke im Wert zwischen 31.000 und einer halben Millionen Mark über den Verkaufstisch. Die Galerie wird auch den Verkauf der Christo-Werke übernehmen, die noch bis zum 12. Juli in der Grundkreditbank ausgestellt sind. Obwohl in der Galerie und Kunsthandlung Pels-Leusden von den 88 Christo-Werken im Wert zwischen 500 und 200.000 Mark gerade mal knapp zehn verkauft wurden, laufe das Geschäft „ganz gut“. Als „ziemlich gut“ beschreibt auch Pressesprecherin Heidi Violand den Verkauf von Christo-Werken im Hauptbüro der „Verhüllter Reichstag GmbH“. Gemeint sind „fünf bis sechs“ Werke.

Und dabei könnte der Monsieur, der niemals ohne seine Madame ausgeht, die fünfzehn Millionen in Nullkommanix verdienen. Der Taschenverlag in Köln zum Beispiel, der noch bis heute seine Verkäufer um den Reichstag scheucht, ist begeistert über den Erfolg des Straßenverkaufs. Doch Angaben über Auflagenhöhe und verkaufte Exemplare macht Pressesprecherin Isabel Martin nicht. „Zahlen geben wir nicht bekannt“, hüllt sie sich in Schweigen. Doch immerhin verrät sie, daß das derzeitige Sortiment an Christo-Büchern noch im August um einen Wandkalender und einen Wochenplaner für nächstes Jahr erweitert wird. Und rechtzeitig zum nächsten Sommer gibt es den absoluten Christo-Hammer: eine auf 5.000 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe als Hardcover mit einem Stück Originalstoff, signiert von ... Sie wissen schon. Auch Alexander Fils vom Düsseldorfer Kunstverlag Schumacher konstatiert ganz unverhüllt einen „sehr guten“ Verkauf der zehn verschiedenen Fotodrucke und zwanzig verschiedenen Postkarten. Letztere haben Auflagen zwischen 10.000 und 50.000 Stück. Auch an diesen Produkten verdienen die Christos selbst keinen Pfennig. Der Kunstverlag führt jedoch eine unbekannte Summe an die Christo Vladimir Javacheff Corporation (CVJ) ab. Fils beteuert, daß Christo und Jeanne-Claude lediglich eine Viertelmillion Dollar Jahresgehalt bei der „CVJ Corporation“ verdienen und „kein Auto, keine Diamanten und keine Pelze“ haben. „Christo und Jeanne-Claude wollen nicht am Kommerz beteiligt sein“, sagt Pressesprecherin Violand. Selbst schuld: So werden sie die nächsten vier bis fünf Jahre mit dem Abstottern des Reichstags-Schuldenbergs beschäftigt sein. Barbara Bollwahn

siehe auch Bericht S.2